„Ronicagate“ sorgt für Wirbel in Rumänien

■ Faschistenchef Tudor unterstellt Präsident Konstantinescu Sexaffäre mit Schauspielerin

Bukarest (taz) – „Wäre er Rumäniens Präsident, er hätte schon am ersten Amtstag die Hälfte der Bevölkerung ausgerottet.“ Feststellungen wie diese aus der Bukarester Tageszeitung Evenimentul zilei treffen derzeit so manche rumänische Kommentatoren. Halb entrüstet, halb verzweifelt erfinden sie immer neue Superlative für den faschistischen Demagogen Corneliu Vadim Tudor.

Der Chef der „Groß-Rumänien“-Partei, die mit 4,5 Prozent im Parlament vertreten ist, war einst einer der Hofdichter Ceausescus und arbeitete als Redakteur der nationalistischen Securitate-Zeitschrift Saptamina. Nach dem Sturz des Diktators im Dezember 1989 gründete Tudor die „Groß-Rumänien“-Partei – Sammelbecken für Ultranationalisten und Ex-Securitate-Offiziere. Zu Tudors Vorbildern zählt auch der 1944 gestürzte militärfaschistische Diktator Antonescu. Tudor strebt selbst eine Militärdiktatur an und will für Minderheiten Konzentrationslager einrichten.

Seine Auftritte sind hysterisch und schauerhaft. Aus seinem Mund ergießt sich gemeinhin eine Flut verbaler Aggressionen. Tudors Wahnvorstellungen über die zahllosen Feinde der rumänischen Nation paaren sich mit seiner sadistischen und obszönen Phantasie. Seit Jahren verleumdet er mit den absurdesten Vorwürfen alle, die nicht seiner Meinung sind.

Um Verleumdung geht es auch bei dem neuesten Skandal Tudors. Er beschuldigt den Staatspräsidenten Emil Constantinescu, eine Affäre mit der Schauspielerin Rona Hartner gehabt zu haben, die Hauptdarstellerin in dem preisgekrönten französisch-rumänischen Film „Gadsho dilo“. Als „Beweis“ dient Tudor ein angebliches Tagebuch Rona Hartners. Er präsentierte es letzten Freitag im Privatfernsehen Tele7abc. Sowohl ein Sprecher des Staatspräsidenten als auch Rona Hartner haben das Tagebuch als Fälschung bezeichnet. Dennoch spielten die sensationshungrigen Boulevard-Medien das Thema als „Ronicagate“ hoch und nötigten Rumäniens gesamte politische Klasse zu Stellungnahmen.

Am Montag wiederholte Tudor das offensichtlich erfundene „Ronicagate“-Szenario im Privatfernsehen Antena1 – diesmal in Anwesenheit der betroffenen Rona Hartner. Die 24jährige hatte wohl naive Vorstellungen über ihren „Dialogpartner“. Tudor „beschuldigte“ die Tochter eines Rumäniendeutschen, einen jüdischen Vater zu haben und breitete ihre angeblichen sexuellen Perversionen aus. Von der aggressiven Demagogie Tudors war Rona Hartner so überfordert, daß sie die Live-Sendung abrupt verließ.

Publizität um jeden Preis ist eine von Tudors Methoden: „Jede Verleumdungsklage“, lautet sein Rezept, „hat mir ein weiteres Prozent Wählerstimmen eingebracht.“ In Umfragen kommt seine Partei derzeit auf achtzehn Prozent. Trotz Dutzender Verleumdungsklagen braucht Tudor die Justiz nicht zu fürchten: Als Senatsabgeordneter genießt er Immunität.

Erneut forderte der Innenminister Gavril Dejeu am Montag, den Schmutzkampagnen Tudors durch die Aufhebung der Immunität einen Riegel vorzuschieben. Dazu sind zwei Drittel der Senatsstimmen nötig. Die parlamentarische Opposition um den neokommunistischen Ex-Präsidenten Ion Iliescu verweigert ihre Stimmen. Denn Iliescu dienten Tudor und seine Partei bis 1996 als Mehrheitsbeschaffer im Parlament. Obwohl der „Groß-Rumänien“-Chef vor vier Jahren die öffentliche Hinrichtung Iliescus forderte, hofft dieser heute, mit Hilfe Tudors wieder an die Macht zu gelangen.

Nicht nur solche Taktik hat Tudor zu 18 Prozent Wählerstimmen in Umfragen verholfen. Seine Auftritte wären nicht möglich ohne die politische und mediale Kultur, die ihn duldet, ignoriert oder herunterspielt. Kaum jemand nimmt Anstoß, daß Tudor ein faschistisches Hetzblatt verbreiten darf. So ist auch der Aufschrei über „Ronicagate“ Sirenengeheul. „An die extremistischen Absichten Tudors haben wir uns gewöhnt“, schreibt ein Kommentator der Tageszeitung Romania libera, „aber solche Ausrutscher wie jetzt hätten wir nicht erwartet.“ Keno Verseck