Weiter in der Warteschleife?

Die Reform der Staatsbürgerschaft macht das Einbürgerungsverfahren zwar deutlich einfacher. Aber nicht unbedingt kürzer – weil es an Geld und Personal fehlt  ■ Von Vera Gaserow

Berlin (taz) – Besonders den einen Satz in den gestern von der Bundesregierung präsentierten Vorschlägen für eine Reform des deutschen Staatangehörigkeitsrechts wird Yurdanur A. mit großer Aufmerksamkeit lesen: „Wir werden Einbürgerungen auch dadurch erleichtern und beschleunigen, daß wir auf überflüssige Verfahren verzichten.“

Für die 21jährige Yurdanur A. ist dieser Satz wichtiger als vieles andere, denn ihr bisheriger Weg in die deutsche Staatsangehörigkeit führte geradewegs in die Warteschleife.

Vor eineinhalb Jahren hat die in Deutschland geborene Tochter türkischer Eltern ihren Einbürgerungsantrag gestellt, nun erst teilte ihr das zuständige Standesamt mit, ein Buchstabe auf ihrem Antrag sei nicht identisch mit ihrer Geburtsurkunde aus dem Rheinland. Ihr Antrag folglich auch nicht bearbeitungsfähig.

Yurdanur A.s Erfahrung ist exemplarisch für das noch geltende Verfahren: Die Prozedur ist denkbar zäh, und die Einbürgerungsämter in den Kommunen kommen mit der Arbeit nicht hinterher. In Berlin zum Beispiel harren derzeit allein 40.000 Einbürgerungsanträge ihrer Bearbeitung. Durch bürokratische Prüfungen, Rückfragen bei zig Ämtern, umfangreiche Briefwechsel mit den Heimatkonsulaten dauert die Einbürgerung heute gut und gerne drei Jahre.

Nach Erteilung einer vorläufigen Einbürgerungszusicherung beginnt die zweite Etappe, das Entlassungsverfahren aus der Heimatstaatsbürgerschaft. Fast alle Staaten lassen ihre „abtrünnigen“ Landsleute dafür Gebühren in Höhe von einigen hundert Mark pro Familienangehörigen zahlen. Vor allem aber lassen sie sich Zeit. Ein bis eineinhalb Jahre braucht derzeit die Türkei für eine Ausbürgerungserlaubnis, mit der die Anwärter auf den Paß mit Bundesadler sich dann wieder in die Warteschlange bei den deutschen Behörden einreihen müssen. In der Zwischenzeit haben sich die sozialen und rechtlichen Verhältnisse der Antragsteller häufig längst wieder verändert: Die Einbürgerungsämter müssen deshalb einen zweiten, zeitaufwendigen Prüfungsmarathon starten.

Mit Hinnahme der Doppelstaatsbürgerschaft könnten die langen Ausbürgerungsverfahren und der zweite Prüfcheck künftig ersatzlos entfallen. Für die Antragsteller und die Behörden ein enormer Geld- und Zeitgewinn. Dennoch macht sich in den Einbürgerungsämtern allmählich unterschwellige Panik breit. Denn wenn im kommenden Sommer das neue Recht tatsächlich verabschiedet wird, sehen sie eine „Bugwelle“ von Anträgen auf sich zurollen. Rund zwei Drittel aller in Deutschland lebenden Ausländer werden die Einbürgerungsvoraussetzungen nach dem geplanten neuen Gesetz erfüllen, haben Statistiker errechnet.

Nur die wenigsten Städte und Gemeinden sind darauf organisatorisch und personell vorbereitet. Die Haushaltsberatungen und Stellenzuweisungen für 1999 sind längst abgeschlossen, Geld ist ohnehin keines in der Kasse. Trotz „erheblicher Verfahrensvereinfachung“, konstatiert jetzt auch das Bundesinnenministerium in den Erläuterungen zu seinem Gesetzentwurf, „ist gleichwohl ein erheblicher Personalmehrbedarf bei den Einbürgerungsbehörden der Länder absehbar“. Um den zu decken, rät das BMI zu „vorübergehender Umschichtung von anderen Behörden“. Von mehr Geld für Personal ist nicht die Rede. Kann sein, daß die Einbürgerungsvoraussetzungen künftig sehr viel einfacher werden – und Yurdanur A., wie so viele andere, trotzdem weiter in der Warteschleife steckt.