Vom Geschäftsreisen Von Martin Sonneborn

Beim Betrachten des Auslandsjournals kurz nach dem Sonntagstee fiel Herrn Krähe und mir auf, daß wir lange nicht mehr bzw. noch nie im Leben übers Wochenende in Belfast waren. Sofort beschlossen wir eine Geschäftsreise, kauften billige KLM-Restplätze auf und verabredeten uns mit Dr. Lauxtermann, der von der Sache Wind bekommen hatte und darauf bestand, uns zu begleiten.

Am Flughafen Amsterdam trafen wir den Arzt. Und mußten feststellen, daß genau und aber auch höchstens zwei von uns für seriöse Geschäftsleute durchgehen würden: Zwar trug Herr Krähe stabile Second-feet-Arbeiterschuhe zu seiner betagten Third-hand-Lederjacke und ich eine alte ererbte Strickjoppe, die schon bessere Zeiten gesehen hatte (WM '74, Wirtschaftswunder, WK II). Selbstverständlich aber hatten wir ausgebeulte Aktentaschen dabei: In solchen nämlich transportierten wir Reiselektüre und Leibwäsche. Um letzte Zweifel an unserem Status auszuräumen, ließen wir so oft wie möglich einfließen, daß wir Geschäftsreisende seien.

So überraschte es nicht weiter, daß uns allerorten anerkennendes Lächeln zuteil wurde, Mitreisende wie Stewardessen uns angemessenen Respekt zollten und nicht einmal Richard von Weizsäcker, der zwei Reihen vor uns nach Schiphol flog, auf den Gedanken gekommen wäre, wir seien noch größere Hochstapler als er. Kein Wunder also, daß wir am liebsten im Amsterdamer Erdboden versunken wären, als unter den Augen des ebenso entsetzten ehem. Bundespräsidenten Dr. Lauxtermann auf uns zusteuerte. Hatte der Mann doch lediglich eine halbwegs durchsichtige Plastiktüte mit abgerissenem Henkel dabei, in der sich ein Deostift, etwas Unterwäsche und eine Stange Marlboro abzeichneten. Klar auch, daß Herr Krähe und ich auf der Stelle in ein Gespräch über die Vorzüge von Shareholder value vertieft waren und den Arzt ignorierten. Drei Stunden später war dessen Zorn allmählich verraucht, und nach der Landung in Belfast steuerten wir intuitiv erst mal den Crown Liquor Saloon im Stadtzentrum an, wo wir ein paar Guinness bestellten, um unser Business-english zu überprüfen. Als Geschäftsreisende schenkten wir uns den üblichen Touristenquatsch und liefen statt dessen die Stadt zu Fuß ab, um mit den einheimischen Topwirtschaftsfachleuten ins Gespräch zu kommen. Dazu machten wir in jeder Schankgaststätte auf genau ein paar Getränke halt. Wir boten Taxifahrern in verrauchten Jazz-Kellern Beteiligungen an, planten Bombengeschäfte mit den Kellnern im Hotel Europa, welches immerhin schon 23mal in die Luft geflogen, aber immer wieder aufgebaut worden war; und wenn jemand aus einer stark vergitterten, düsteren Ruine herauskam, seinen Hund auszuführen und uns zuzuraunen „He, come in for a drink!“, dann gingen wir hinein, um über eine mögliche Fusion zu sprechen.

Nach drei Tagen kamen wir zu der Erkenntnis, daß Geschäftsreisen anstrengender sein können als gedacht. Auch konnten wir auf dem Rückflug zwar auf eine Menge vielversprechender Kontakte und großzügige Spesenrechnungen zurückblicken, unterschriebene Verträge jedoch waren Mangelware. Daß wir mit dem Besitzer der abgerissenen Tragetasche neben uns trotzdem kein Wort sprachen, ist wohl klar.