Ökolabel soll Klarheit bringen

Die Mehrheit der KundInnen würde Ökoprodukte kaufen – wenn sie wüßte, was Öko ist. Bioverbände planen ein einheitliches deutsches Siegel  ■ Von Danièle Weber

Stuttgart (taz) – Deutsche ÖkoanbieterInnen könnten ihre große Marktchance verschlafen. „In Deutschland wurde bereits viel Zeit verloren“, meint Ulrich Hamm, Professor am Institut für Marktlehre an der FH Neubrandenburg. Hamm untersucht den Ökomarkt seit 20 Jahren und ist dabei zu einem überraschenden Schluß gekommen: Das Angebot und nicht die Nachfrage ist schuld daran, daß der Bioboom hierzulande immer noch auf sich warten läßt.

Mit 1,5 Prozent liegt der Marktanteil von Bioware hierzulande deutlich unter dem anderer EU- Staaten. „Die Konsumenten sind verunsichert“, sagt Hamm. Dabei zeigen laut Umfragen insgesamt rund 70 Prozent Kaufinteresse für Ökoprodukte. Die sehr verstreuten Angebotsstätten, relativ hohe Preise und zu viele unterschiedliche Warenzeichen sorgen jedoch für ein eher zurückhaltendes Kaufverhalten. „Vor allem ein gemeinsames Erkennungsmerkmal für Ökowaren könnte neue Kundenkreise erschließen“, so Ulrich Hamm.

Seit Jahren verhandeln die Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (Agöl) und die „Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH“ (CMA) darüber, ein einheitliches Öko-Prüfzeichen in Deutschland einzuführen. Für die Agöl sei das eine „Grundsatzfrage“, bei der zunächst „prinzipielle Bedenken aus dem Weg geräumt werden mußten“, so die Geschäftsführerin Manon Haccius. Dem Dachverband gehören die meisten der deutschen Ökolandbauverbände wie etwa Demeter, Bioland, Naturland, Biopark an, er vertritt fast 90 Prozent aller ÖkolandwirtInnen in Deutschland.

Nächstes Jahr soll es nun endlich soweit sein: Auf ihrer letzten Mitgliederversammlung im Herbst beschloß die Agöl „wichtige Schritte für die zügige Umsetzung des Projektes“. Demnach sollen für das neue Zeichen die Agöl- Richtlinien gelten, in der Vergabe will die Agöl mit der CMA zusammenarbeiten. Kontrolliert werden die ProduzentInnen weiterhin von privaten Kontrollstellen, die auch bisher die europäischen Normen und auf Wunsch auch die einzelnen Verbandskriterien überprüfen. Ein staatliches Einheitssiegel, wie es etwa in Österreich oder Dänemark existiert, wurde allerdings von den Anbauverbänden nicht befürwortet. „Damit hätten wir das Heft aus der Hand gegeben,“ erklärt Haccius, „es wäre sehr schwierig gewesen, unsere Verbands-Richtlinien durchzusetzen“.

Das neue Zeichen soll übergreifend sein und künftig neben Verbandslabeln wie Bioland und Demeter oder handelseigenen Ökomarken zusätzlich auf dem Etikett der Bioware erscheinen. Einig sind sich alle Beteiligten darüber, daß der Schlüssel zu seinem Erfolg in seinem Bekanntheitsgrad liegt. Wichtigster Punkt bei der Einführung ist deshalb eine möglichst groß angelegte Öffentlichkeitsarbeit.

Die kostet Geld – und hier liegt wohl einer der Hauptstreitpunkte zwischen CMA und Agöl. Wer soll für die Werbekampagne aufkommen? Schätzungen zufolge würde allein die Einführung des Zeichens auf dem Markt rund 50 Millionen Mark kosten. Diese Summe muß, wenn es nach der Agöl geht, die CMA ganz alleine aufbringen. Die Gegenleistung, nämlich der Zugang zum gesamten Marktsegment der Ökolandwirtschaft, sei mindestens soviel wert, so Haccius. „Immerhin liefern wir die gesamte Vorarbeit und die Voraussetzung für ein solches Ökolabel.“

Experte Hamm sieht in dem gemeinsamen Ökozeichen „sowohl eine Chance als auch eine Gefahr für deutsche Hersteller“. Für die einzelnen Verbände werde es möglicherweise schwieriger werden, die eigenen Produkte anderen gegenüber hervorzuheben. Am erhofften Aufschwung könnte dann auch die Konkurrenz aus dem Ausland verstärkt teilhaben.

Ein übergreifendes Label ist laut Hamm aber nicht die einzige Voraussetzung für mehr Umsatz auf dem deutschen Biomarkt. Wichtig sei, daß die KonsumentInnen einfach anders angesprochen würden: Nicht die ökoüblichen Argumente wie Verzicht und Askese sollten im Vordergrund stehen, sondern eine positive Message von mehr Genuß und Lebensfreude durch Biokost. Sollte diese Strategie realisiert werden, ist laut Hamm „der Bioboom in Deutschland noch bis zum Jahr 2000 zu erwarten“.