Die Narrenfreiheit der Dinos

■ Dagegen ist Homer Simpson das reinste Weichei: Dooly, der kleine Dinosaurier, landet in Seoul, erforscht die Gesellschaft und bringt Anarchie in den südkoreanischen Zeichentrickfilm

Comicfiguren bringen die Menschenwelt oft durcheinander. Mit der Naivität von Kindern schaffen sie chaotische Situationen, in denen sich das Konstrukthafte der heilen Welt und ihrer fragwürdigen Regeln widerspiegelt. Ein Außerirdischer wie zum Beispiel Alf erdreistet sich, den American Way Of Life originaler und maßloser als seine Gastfamilie Tanner zu leben. Nun kommt Dooly ins Kino, um koreanische Familienverhältnisse mit den unschuldigen Augen eines kleinen Dinosauriers zu durchleuchten und durcheinanderzuwirbeln.

Bevor er lernte, über die Leinwand zu laufen, trieb der koreanische Kinderheld in Comic-Heften sein Unwesen. Bereits vor 15 Jahren ist Dooly der Feder von Soo- Jong Kim entsprungen – also noch vor dem Boom von Jurassic Park –, macht sich nun aber gleichermaßen daran, westliche Kinderherzen zu erobern und dabei die Portemonnaies ihrer Eltern zu leeren.

In einem Eisberg eingefroren wird Dooly zufälligerweise in Seoul angespült und von Kindern in einen koreanischen Haushalt eingeschleust. Der Hausherr, Roger Badoni, duldet den grünen Fremdling nicht, womit der Generationenkonflikt in vollem Gange ist. Während hierzulande eher die Hautfarbe des Fremden für Diskussionsstoff sorgen würde, steht Dooly für die Situation der Kinder, die in der konfuzianisch geprägten Gesellschaft Süd-Koreas zum absoluten Respekt gegenüber älteren Autoritäten verpflichtet sind. Doolys Zeichenvater Kim wählte ein Tier, „weil Tiere arrogant und frech gegenüber Erwachsenen sein dürfen“, Kinder nicht. Der Erfolg bei Kindern gab ihm recht, brockte ihm aber auch Strafanzeigen vom CVJM und anderen Moralhütern ein.

Durch die Aufmüpfigkeit des Eindringlings sieht Familienvater Roger Badoni seine Autorität derart in Fage gestellt, daß er seinem Zorn nur noch durch cholerische Prügelattacken Luft machen kann. Zeichnerisch steigern sich die Wutausbrüche bis hin zur Atombombenexplosion im traditionellen Patio. Neben dem programmatischen Pantoffelwerfen asiatischer Väter geht es beängstigend brutal zu, etwa wenn Roger droht, den kleinen Dino und seine Freunde durch den Fleischwolf zu drehen. Dagegen ist Homer Simpson das reinste Weichei. Nach dem ungleichen Kräftemessen bleibt ein blaugeschlagener Dinosaurier zurück, der mit anarchistischem Trotz auf seiner Meinung beharrt und schwört, eines Tages Rache zu nehmen.

Asiatischer Humor ist oft mit Schadenfreude verbunden, besonders wenn es darum geht, den Oberen eins auszuwischen. Deshalb bleiben auch dem Familientyrann kein Schmerz und keine Strapaze erspart. Gerechtigkeit muß sein – und außerdem lieben Koreaner ihre Kleinen über alles.

Ein sozialkritischer Film ist „Dooly – der kleine Dino“ dennoch nicht geworden. Vielmehr beginnt ab der zweiten Hälfte ein rasanter Actionfilm im Sonntagmittag-Format, der Kindern – neben Handlungsverläufen, die wahrscheinlich nur sie nachvollziehen können – Spielberg-Spannung, Star-Wars-Rennen und natürlich den gesamten Merchandising-Katalog bietet. Besonders zu empfehlen sind hier die originalen Dooly-Pflaster, falls es mal wieder gekracht hat daheim. Uh-Young Kim

„Dooly – der kleine Dino“, Regie: So-Jung Kim, Korea 1998, 80 Min.