Kein Titel ohne Präsident

■ In Usbekistan huldigen alle Medien dem Staatschef. Jetzt hat er auch noch den Empfang ausländischer Programme massiv beschnitten

„Hier ist London“ – usbekische Radiohörer müssen diese Ansage künftig ganz am Rand ihrer Skala suchen. Wenn sie sie überhaupt noch finden. In der zweiten Januarwoche hat die Regierung den BBC-Sendungen auf Mittelwelle in usbekischer, russischer und englischer Sprache neue Frequenzen zugeteilt. Aber die sind auf vielen der in der Ex-Sowjetrepublik üblichen Radiomodelle gar nicht enthalten. Eine Begründung für die Maßnahme wurde nicht bekannt, klar ist aber, daß sich damit das ohnehin schmale freie Informationsangebot für die über 23 Millionen Usbeken weiter verringert.

Mittelwellensendungen sind in Mittelasien sehr beliebt, weil sie in besserer Qualität ankommen als die auf Kurzwelle. In der Vergangenheit hatte die Regierung bereits die Sendungen des russischen Fernsehens erheblich reduziert.

Darüber hinaus haben die Usbeken wenig Auswahl auf dem Medienmarkt. Alle einheimischen Medien segeln auf Regierungskurs, seitdem bereits 1993 mit Erk das letzte Oppositionsblatt geschlossen wurde. Bei wem der usbekische Geheimdienst Exemplare des Blatts findet, dem droht Haft. Amnesty international hat mehrere solcher Fälle registriert. Aber auch regierungstreuen Zeitungen drohen Repressionen. 1996 zum Beispiel veröffentlichte Watan eine Analyse einer Parlamentsrede des Präsidenten Islam Karimow vor dem Parlament, in der zwischen den Zeilen vorsichtige Kritik deutlich wurde – die Zeitung mußte zeitweilig schließen. Die Folge: Befragt man Journalisten zur Regierungslinie, antworten selbst Redakteure von Regionalzeitungen, daß sie sich nicht für Politik interessieren.

Die beherrschende Zeitung Prawda Wostoka, die in Russisch und Usbekisch erscheint, sieht aus wie einst das Neue Deutschland: keine Titelseite ohne den Präsidenten. Das Blatt dominieren großflächige Berichte über Karimow, etwa als ihm am 7. Dezember der Emir-Timur-Orden verliehen wurde, u. a. für „die Schaffung des souveränen Staates Usbekistan“ und „die Stärkung des Bürgerfriedens“. Was den Bürgerfrieden betrifft: Ein Vierteljahr zuvor wurden im Zentrum der usbekischen Hauptstadt Taschkent die beiden russischen Journalisten Witali Ponomarjew und Nikolai Mitrochin von „Unbekannten“ zusammengeschlagen. Sie hatten sich mit einem bekannten usbekischen Menschenrechtler getroffen, um sich um die Verfolgung islamischer Aktivisten zu informieren. Über die sagte Karimow in einer Parlamentsrede, sie müßten „in den Kopf geschossen werden“. Und kündigte an: „Wenn Ihnen die Entschlossenheit dazu fehlt, erschieße ich sie selbst.“ Thomas Ruttig