Keine Richtung

■ Der "Spiegel" will ein Monatsheft machen, den deutschen "New Yorker". Doch niemand weiß wie

Der Mann befindet sich in guter Gesellschaft. Oder in schlechter, je nach Betrachtungsweise. Denn an dem, wovon derzeit in der Umgebung von Andreas Wrede im Verlag des Spiegel geredet wird, haben sich schon andere versucht. Zum Beispiel Franz-Josef Wagner, der melancholische Boulevardschlächter aus dem Burda-Verlag. Für den hatte er, der nun Springers B.Z. redigiert, vor eineinhalb Jahren den deutschen New Yorker entwickeln wollen. Am Ende stand ein Bilderblatt, das nie Aussicht hatte, das Licht der Kioske zu erblicken.

Seit fast drei Monaten werkelt nun wieder eine Entwicklungsredaktion an einem bild- und textorientierten deutschen Monatsmagazin, und wieder ist von den renommierten US-Gesellschaftsblättern New Yorker und Vanity Fair die Rede. Freilich interpretiert man beim Spiegel-Verlag die großen Vorbilder ganz anders. Und es geht auch nur darum, endlich aus dem darniederliegenden Monatsheft Spiegel Special etwas Ansehnliches zu machen. Irgendetwas mit „Gesellschaft, Politik, Kultur“ soll nun daraus werden, beschreibt PR- Frau Eva Wienke, aber mehr wisse man erst in drei Wochen. Auch Chefredakteur Andreas Wrede, der einst beim Hochglanzheft Max das kulturvolle Tittenbild zur journalistischen ultima ratio erhob, kann jetzt „überhaupt nichts sagen“. Denn er sei „mitten, mittenmang“ in der Entwicklungsphase.

Die Zugeknöpftheit hat ihren Grund. Schließlich fiel Wrede Anfang Januar bei Chefredaktion und Verlagsleitung mit seinem Konzept durch. Ob man überhaupt von einem Konzept sprechen sollte, ist zudem umstritten. Was Wrede fabriziere, habe „keine Richtung“, heißt es. Aus der Redaktion wird „denkbar schlechte Laune“ berichtet. Schon werden Gerüchte gestreut, Wrede könne abgelöst werden. Ob man schon, wie geplant, im April neu herauskommen kann, ist zweifelhaft.

Nun hat erst einmal Spiegel- Chefredakteur Stefan Aust, der Herausgeber beim neuen Spiegel Special wird, die Sache an sich gezogen. Doch der Chef hat viel von seinem Nimbus des Retters vor Focus und anderem Unbill verloren, nicht erst seit er mit seiner Sat.1- Talkshow baden ging. Auch der Plan von Aust und Geschäftsführer Karl-Dietrich Seikel, das Haus unabhängiger vom Flaggschiff Spiegel zu machen, funktioniert bislang nur begrenzt. Zwar boomt das Spiegel-TV-Imperium leidlich – aber die Ausweitung der Aktivitäten in der Wirtschaftspresse (Econy) und bei der Nachmittagszeitung Der Tag ist einstweilen gescheitert. Langfristig sollen derlei Aktivitäten 50 Prozent des Umsatzes machen, doch bis dato fährt der florierende Spiegel über drei Viertel ein. Schon meckern die (neben Herausgeber Augstein und dem Verlag Gruner+Jahr) am Spiegel beteiligten Mitarbeiter wieder, die ganzen Aktivitäten kosteten zuviel und brächten nichts.

Dabei hatte man sich alles so schön vorgestellt: Wrede galt als Experte dafür, wie man Journalismus so betreibt, daß die Werbewirtschaft Gefallen daran hat. Und vor allem bei den Werbern war das seit drei Jahren monatlich erscheinende Special (zuletzt um 120.000 Auflage) durchgefallen: Keine verläßliche Leserschaft, ergo Auflagenschwankungen. Geschätzter Jahresverlust: Zwischen drei und fünf Millionen. Nun sollen nur noch zwei Drittel des Hefts einem Thema gewidmet sein, der Rest aus festen Rubriken bestehen. Aber wie? Viel weiter scheint Wrede nicht gekommen zu sein.

„Wie auch?“, fragt einer, der das Konzept kennt. Es sei „aus der Sicht der Agenturwirtschaft konzipiert“. Man weiß offenbar nicht recht, ob man nur Rendite will, oder auch Renommée. Zudem hatte Wrede zu Beginn auch noch einen möglichen Ideengeber weggemobbt, Gestaltungschef Rainer Wörtmann. Der erfand einst das Edelblatt Transatlantik mit, das vielleicht am ehesten den Titel „deutsches Vanity Fair“ verdient hätte. Doch das Heft wurde schnöde eingestellt – vom Spiegel- Verlag. Der hatte zudem zuletzt beim ambitionierten Econy nach zwei Nummern den Mut verloren. „Seitdem“, heißt es im Spiegel- Haus, „haben hier alle die Hosen voll.“ Lutz Meier