Formenhaufen in Licht und Schatten

Stahlrohre, Gerüste, Stufen, Winkel, die rätselhaft verschlungen vor- und zurückspringen – die Bilder des Künstlers John Schuetz sind in der Galerie Seitz von Werder und in der Museumsakademie zu sehen  ■ Von Cornelia Gerner

Irgendwie ist es ziemlich vertrackt. Man steht vor den Bildern und guckt und guckt, erkennt was und erkennt dann doch auch wieder nichts. Da sind bekannte Sachen, die man schon tausendmal gesehen hat – das weiß man genau –, aber nicht, wo das war und in welchem Kontext. Eine absurde Situation, in der man sich da befindet – wie jemand, der die Wirklichkeit wahrnimmt, aber nicht mehr einordnen kann. Nachdem man sich dergestalt lange genug an der Nase hat herumführen lassen, fängt das Sortieren an. Es sind Fotos, allerdings Fotos von Fotocollagen. Dazu kommen Stäbe, Gitter, Karos und Streifen, die als Ausschnitte aus Architekturelementen aufeinandertreffen, aber sie passen überhaupt nicht zusammen. Diese Architekturelemente sind durch die Art des Ausschneidens – rund, eckig, spiralenförmig – in neue, ihrem Wesen nicht immanente Formen gebracht, die nun in der Art von Wandzwickeln, Stufen, Gerüsten und Dachglaskonstruktionen, vor-, zurück- und schräg nach hinten springen, zwischen Schärfe und Unschärfe, Licht und Schatten wechseln. Das macht die Verwirrung komplett.

Diese Lichtbildmontagen gehören zu der Serie „Cataract“ von John Schuetz aus dem Jahr 1994 und werden zur Zeit in der Galerie Seitz von Werder gezeigt. Der Künstler fotografierte dafür das Gebäude der Akademie der Künste am Pariser Platz.

Daneben hängen „DLDP“ (Deadlight – Deadpan) und „Bent Wood“, zwei Serien von Lichtbildmontagen von 1996. Bei „DLDP“ handelt es sich um quadratische und rechteckige Farbfelder, in denen warme leuchtende Farben dominieren. „Bent Wood“ stellt Assemblagen aus zerschnipselten und neu zusammengefügten Thonetstühlen dar, woraus sich Licht-undSchatten-, Schärfe-und-Unschärfe-verspielte Formenhaufen ergeben, die durch die typischen Thonetstuhlrundungen gezeichnet sind.

Seit 1971 lebt der amerikanische Künstler John Schuetz in Berlin. 1975 hat er begonnen Fotos zu montieren und dieses Medium „für sich in einer Weise erarbeitet und perfektioniert, die konkurrenzlos dasteht“, schrieb der Fotospezialist Enno Kaufhold 1993 über den Künstler. Schuetz verwendet dabei nicht vergrößerte Fotos, sondern Dias, die er auf dem Leuchttisch mit Schere und Messer zerschneidet und nach den vorher entstandenen Skizzen neu zusammenfügt. Oft bleiben dabei Schnittkanten als bildgestalterisches Mittel stehen. Das neue Dia wird danach auf einer Glasplatte montiert, im Labor vergrößert, aufgezogen und wie ein Bild gerahmt. Eine gängige Größe seiner Arbeiten beträgt 120x87 Zentimeter.

Die farblich reduziertere Einzelarbeit aus der Serie „Faultlines“ von 1998, die über dem Schreibtisch in der Galerie hängt, gibt Hinweis auf eine zweite Schuetz-Ausstellung, die kürzlich in der Museumsakademie angelaufen ist. Dort kann man im Wechsel mit den konzentrierten, strengen Zeichnungen von Malte Spohr, die anderen fünf zu der Serie gehörigen Fotoarbeiten sehen. „Faultlines“ zeigt, wie sich die Arbeit von Schuetz gewandelt hat. Die rechtwinkeligen Farbfelder sind geblieben, eine Auseinandersetzung mit dem Raum findet nur andeutungsweise durch die Einführung monochromer runder Formen statt. Während in der Serie „Cataract“ Bewegung, Imagination und Licht eine dramatische Rolle spielen, in „DLDP“ leuchtende Kombinationen sinnlich warmer Farblichkeit die Bilder bestimmen, scheint in den „Faultlines“ alles geklärt. Das macht sie zwar vergeistigter, aber auch ein bißchen kühler.

Bis zum 6.2.: John Schuetz. Galerie Seitz von Werder, Wielandstr. 34, 10629 Berlin, Mo.–Fr. 11–18 Uhr, Sa. 11–14 Uhr

bis 26. 2.: „Malte Spohr – John Schuetz. Inlines“. Museumsakademie Berlin, Rosenthaler Str. 39, 10178 Berlin, Di.–Sa. 14–19 Uhr