Schleichender Abschied vom Doppelpaß

■ Kanzler Schröder will die doppelte Staatsbürgerschaft „deutlich einschränken“. Die Koalition will ihren Entwurf zur Reform zwar unverändert in den Bundestag einbringen. Danach ist sie aber zu einem Kompromiß bereit.

Bonn (taz) – Die Koalition will nach den Worten von Bundeskanzler Gerhard Schröder einen Entwurf für ein neues Ausländerrecht vorlegen, „der eine Mehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat finden wird“. Man müsse kompromißbereit sein. Schröder stellte Änderungen am vorgelegten Entwurf von Bundesinnenminister Otto Schily in Aussicht. In einem Interview der Süddeutschen Zeitung sagte der Kanzler, die vorgesehene doppelte Staatsbürgerschaft solle „mit deutlichen Einschränkungen“ gelten. Sie solle für Kinder und Erwachsene nicht generell, sondern zeitlich befristet in Kauf genommen werden. Man könnte das sogenannte Optionsmodell der FDP für in Deutschland geborene Ausländerkinder auf Erwachsene übertragen. Danach soll zu einem bestimmten Zeitpunkt die Entscheidung für eine Staatsbürgerschaft fallen. Der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine sagte nach einer Präsidiumssitzung, man könne davon ausgehen, daß im parlamentarischen Verfahren eine breite Mehrheit zustande komme, die die Debatte beende.

Hingegen warnte die Vorstandssprecherin der Grünen, Antje Radcke, vor einen Kompromiß „im vorauseilenden Gehorsam“. Die Grünen drängen weiter darauf, die geplante Reform umzusetzen. Die Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller erklärte, es gebe keinen Anlaß für Gespräche mit den Oppositionsparteien. Die Regierung wolle „dieses Reformprojekt gemeinsam zügig zum Abschluß bringen“. Dpa zufolge schränkte sie aber nach einem Gespräch mit Schröder ein, Korrekturen werde es „zunächst mal nicht“ geben.

Eine Variante des FDP-Optionsmodells, das eine Entscheidung mit dem 23. Lebensjahr vorsieht, war am Sonntag vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck ins Gespräch gebracht worden. Das sozialliberal regierte Rheinland- Pfalz könnte einem Gesetzentwurf der Regierung zu der notwendigen Mehrheit im Bundesrat verhelfen. Darauf verwies gestern nochmals Kerstin Müller. Allerdings ging der rheinland-pfälzische Justizminister Peter Caesar (FDP) im Gespräch mit der taz davon aus, daß dies nicht geschehen werde.

Als entscheidend dürfte sich die Frage erweisen, ob das FDP-Modell verfassungskonform ist. Kanzler Schröder hatte das bislang mit dem Hinweis bezweifelt, eine deutsche Staatsangehörigkeit könne nicht entzogen werden. Caesar hingegen argumentiert, daß bei dem Optionsmodell niemandem die Staatsbürgerschaft entzogen werde, „wer möchte, kann sie ja behalten“.

Ist diese Position verfassungsgemäß und sollte der FDP-Entwurf als Kompromiß akzeptiert werden, müßte auch die CDU von ihrer bisherigen Position abrücken. Deren Vizevorsitzender Volker Rühe sprach sich bereits für das FDP-Modell aus. Voraussetzung sei jedoch, daß SPD und Grüne ihren Gesetzentwurf vom Tisch nähmen. Gleichzeitig drohte der Chef der CSU-Landesgruppe, Michael Glos, mir der Fortsetzung der Unterschriftenkampagne. Es gebe keinen Anlaß für „irgendwelche Kompromisse“. dr/bg/maf

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