"Verhindern, daß Berlin Symbolort wird"

■ Auch in Berlin gibt es wie in Brandenburg Orte, die Nichtdeutsche meiden müssen, meint Innenstaatssekretär Kuno Böse. Betroffen seien vor allem die Ostbezirke, darunter auch Lichtenberg. Nötig sei d

taz: In Guben wurde bei einer rechten Hetzjagd ein Mensch getötet. Ist Guben weit weg von Berlin?

Kuno Böse: Ich hoffe, daß so etwas in Berlin nicht geschehen wird, es ist bislang auch nicht geschehen. Ganz ausschließen kann man so etwas aber nicht. Das Phänomen der ausgeprägten Fremdenfeindlichkeit ist in den neuen Bundesländern jedoch ein ganz anderes Problem als in Berlin.

Also doch ein Berliner Problem, zumindest in Ostberlin?

In Berlin haben wir mit einem Ost- und einem Westteil durchaus unterschiedliche Probleme. Nun sind nach meinem bisherigen Informationsstand die Jugendlichen, die den Algerier gehetzt haben, nicht unbedingt zu einer vereinsmäßig verfestigten neonazistischen Szene zu rechnen. Das kann auch ein Problem im Ostteil Berlins sein. Wir haben hier Jugendliche, die sich rechten Gruppen anschließen. Hier muß sehr viel mehr an Präventionsarbeit geschehen. Diese Jugendlichen haben den Umgang mit „dem Fremden“ nicht gelernt. Ausländer werden identifiziert mit solchen, die ihnen angeblich die Arbeitsplätze wegnehmen. Ich denke, daß dahinter vor allem mangelnde Jugendarbeit steckt, mangelnde Bildungsarbeit.

Beim Stichwort Prävention geht es auch um die „akzeptierende Jugendarbeit“. Brandenburg arbeitet nach wie vor mit diesem umstrittenen Konzept: Jugendclubs nur für Rechtsextreme, sanfte Aufmerksamkeit statt politischer Konfrontation. Ist es nicht an der Zeit, sich von diesem Konzept zu verabschieden?

Ich will und kann mich an dieser Stelle nicht zur Politik von Brandenburg äußern. Ich selbst stelle mir Jugendarbeit so vor, daß über die deutsche Vergangenheit, das nationalsozialistische System und die Gefahr und auch Ideologie des Rechtsextremismus aufgeklärt wird. In Berlin läuft eine ganze Menge in die Richtung, aber es könnte noch deutlich mehr werden. Wir haben aber das Glück, die Situation besser im Griff zu haben.

Es ist aber erst wenige Wochen her, daß in Berlin ein Vietnamese mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt wurde.

Ja, das stimmt. Bei den Aussagen der Täter haben diese gesagt, man sei gegen diesen vietnamesischen Zigarettenhändler, weil er Ausländer sei. Andererseits sagten die Täter auch, „wir haben uns Zigaretten geholt“, es geht also auch um kriminelle Motivation.

Die tödliche Jagd in Guben ging von einem Club aus, an dem sich nicht nur Rechte treffen. Gibt es in Berlin Orte, jenseits der Treffpunkte organisierter Neonazis, die ein Nichtdeutscher meiden muß?

Es gibt diese Orte in der Stadt. Hier ist nicht die Stelle, sie aufzuzählen.

Welcher Art sind die Orte?

Bevorzugt handelt es sich um Kneipen und Jugendeinrichtungen. Rechte Jugendliche finden sich zusammen, und wenn Ausländer, erkenntlich als solche zum Beispiel wegen dunkler Hautfarbe, erscheinen, könnten sie Schwierigkeiten bekommen. Auch das vor allem in Ostberlin, besonders Lichtenberg. Besonders brenzlig sind diese Orte, wenn sich organisierte Neonazis dort einfinden und Jugendliche zu werben suchen. Darauf legt die Sondereinheit „Politisch motivierte Straßengewalt“ unter anderem ihr Augenmerk.

Angesichts eines Einsatzes der PMS gegen eine Fahrt von 100 Neonazis nach Budapest am Samstag haben Sie erklärt, Sie wollten verhindern, daß Berlin Sammelpunkt der bundesweiten Neonazi-Szene wird. Inwiefern war die Fahrt ein Anhaltspunkt für eine solche Entwicklung?

Man muß sich nur die Herkunftsorte der Leute ansehen: diverse Bundesländer. Man wollte sich offensichtlich hier treffen, um gemeinsam loszufahren. Und vor zwei Wochen hat die Polizei ein Skin-Konzert verhindert. Die Teilnehmer kamen großteils nicht aus Berlin. Berlin ist die alte Reichshauptstadt, auf Berlin schaut die ganze Welt. Wir müssen verhindern, daß Berlin zu einem solchen Symbolort wird. Interview: Barbara Junge