„Wir sterben für Miron Cozma“

Mit Wut reagieren die rumänischen Bergarbeiter im Schiltal auf die Verurteilung ihres Bosses Miron Cozma zu 18 Jahren Gefängnis. Jetzt wollen sie wieder nach Bukarest marschieren und die Regierung stürzen  ■ Aus Petrosani Keno Verseck

„Achtzehn Jahre... die wollen uns fertigmachen ... Wir hätten damals gleich nach Bukarest marschieren und die Regierung stürzen sollen!“ Costica Albu ist außer sich vor Wut. Er kommt aus der zweiten Schicht und hört, daß der Bergarbeiterführer Miron Cozma zu achtzehn Jahren Haft verurteilt worden ist. Er und seine Kollegen haben sich nun im Gewerkschaftssaal versammelt und diskutieren aufgeregt. „Diesmal kehren wir nicht um“, sagen die einen. „Wir bringen sie um!“ rufen andere. Dann kommt der Gewerkschaftsleiter. „Wir fahren zur Kombinatsleitung, die aus den anderen Minen kommen auch.“ „Nach Bukarest!“ rufen die Kumpel.

Dilja, eine Mine im Zentrum des westrumänischen Schiltals, am Montag abend. Die dritte Schicht fährt nicht mehr ein. Die Kumpel sind in den Streik getreten, nur einige Stunden, nachdem der Oberste Gerichtshof in Bukarest den Bergarbeiterboß Miron Cozma zu achtzehn Jahren Haft wegen Aufruhr gegen die Staatsmacht verurteilt hat. „Wir sterben für Cozma“, sagt Costica Albu. „Er ist der einzige, der uns immer geholfen hat und der uns retten kann.“

Montag nacht vor der Zentrale des Nationalen Steinkohleunternehmens in Petrosani: Hunderte von Bergarbeitern warten in eisiger Kälte auf ihren Führer Miron Cozma. Um kurz vor Mitternacht kommt er. „Soll ich mich stellen?“ fragt er. „Wir kämpfen, wir sterben, wir schützen Miron Cozma!“ rufen die Bergarbeiter und verlangen: „Bukarest, Bukarest!“ Am nächsten Morgen ist es soweit: Die ersten Busse fahren in Richtung der rumänischen Hauptstadt. Die Bergarbeiter sind entschlossen, die Regierung zu stürzen.

Vor knapp einem Monat waren die Bergarbeiter nach vierzehn Tagen Streik im Schiltal schon einmal auf dem Weg nach Bukarest. Nachdem sie die Ordnungstruppen des Innenministeriums überrannten, die Armee den Bergarbeitern einsatzbereit gegenüberstand und Staatspräsident Emil Constantinescu den Ausnahmezustand ausrufen wollte, einigten sich der Regierungschef Radu Vasile und der Bergarbeiterführer noch auf eine friedliche Lösung des Konfliktes. Die geplante Schließung von zwei Minen, darunter der Mine Dilja, wurde zurückgenommen; die Kumpel sollten mehr Lohn erhalten. Andere Einzelheiten des Abkommens sind bis heute unbekannt. Doch die Gewerkschaft der Bergarbeiter im Schiltal hatte sich letzte Woche mit der Schließung von mehreren Minen einverstanden erklärt. Das Urteil des Obersten Gerichtshofes hat den gerade befriedeten Konflikt nun erneut aufleben lassen. Miron Cozma erhielt 18 Jahre Gefängnis für Aufruhr gegen die Staatsmacht, Störung der öffentlichen Ordnung und andere Delikte. Es ist das Urteil für den dritten Bergarbeitermarsch auf Bukarest vom September 1991, bei dem zehntausend Kumpel die Regierung unter Petre Roman stürzten. Gegen das Urteil ist kein Widerspruch möglich. Der Bergarbeiterboß will sich jedoch nicht stellen. Er bezeichnete das Urteil als „illegal“, „unrechtmäßig“ und „politisch motiviert“.

Unklar ist bislang, was die Behörden tun werden, um Miron Cozma zu inhaftieren. Die Polizei im Schiltal ist seit Montag abend nicht mehr auf den Straßen präsent. Der Kommandant der Polizei Petrosani sagte, er warte auf den Haftbefehl gegen Cozma, wollte aber keine Stellung dazu nehmen, was er gegen Cozma unternehmen werde. Innenminister Constantin Dudu Ionescu sagte, die Behörden würden im Fall Cozma das Gesetz anwenden. Was die Regierung gegen einen neuen Bergarbeitermarsch unternehmen will, blieb gestern unklar. Sadu, 20 Kilometer südlich von Petrosani, gestern nachmittag: Einige tausend Bergarbeiter haben sich versammelt, ihre Busse parken am Straßenrand. Niemand will sagen, was weiter geschieht. Von den meisten ist nur zu erfahren: „Diesmal geht es nicht gut aus.“ Kommentar Seite 12