Gubens Polizei: „bissel durcheinander“

Ein Opfer der rechtsradikalen Hetzjagd wurde von der Polizei stundenlang gefesselt festgehalten. Nun werden im brandenburgischen Innenministerium Zweifel an den Gubener Verhörmethoden laut  ■ Von Constanze von Bullion

Berlin (taz) – Immer diese verflixten Probleme mit der Kommunikation. „Wir haben hier keinen Dolmetscher, der Afrikanisch versteht“, versicherte gestern der Sprecher des Polizeipräsidiums Cottbus, Bernd Fleischer. Der Mann hat Sorgen. Ein paar Brocken Deutsch oder Französisch hätten gereicht, um sich mit Issaka Kaba zu verständigen. Der Asylbewerber aus Sierra Leone saß vergangenen Samstag acht Stunden lang in Handschellen im Besucherraum der Polizeiwache Guben fest, bevor man ihn vernahm, bestätigte die Polizei Cottbus. Der 18jährige habe einen deutschen Jugendlichen vor einer Disco verletzt, vermuteten die Beamten, es bestehe Fluchtgefahr. Ihr einziger Anhaltspunkt für diesen Tatverdacht: Issaka Kaba ist schwarz.

Kabas Geschichte von den Handschellen sei „frei erfunden“, erklärte die Polizei Cottbus noch am Dienstag. Man habe einen mutmaßlichen Täter nicht einfach laufenlassen können. Zeitgleich traten die Kollegen von der Oberstaatsanwaltschaft Cottbus allerdings den ungeordneten Rückzug an. Der Asylbewerber sei „von den Skinheads beschuldigt worden, zuvor einen Kumpanen verletzt zu haben“, sagte Oberstaatsanwältin Petra Hertwig gestern zur taz. „Allerdings sieht es derzeit so aus, als hätten sich die Jugendlichen geirrt.“

Also noch einmal von vorn. Vor einer Gubener Disco kommt es am Samstag um 2.50 Uhr zum Streit zwischen Vietnamesen und Deutschen. Ein schwarzer Discobesucher greift ein und verletzt einen Deutschen. In der rechten Szene spricht man von einem „Fleischerbeil als Waffe“, bei der Staatsanwaltschaft Cottbus später von einer „Machete“. Unmittelbar nach dem Vorfall vor der Disco kümmert sich die Polizei um den verletzten Deutschen, seine Freunde erstatten per Handy Anzeige gegen „einen Schwarzen“. Weitere Hinweise auf Identität oder Aufenthaltsort des mutmaßlichen Täters? Fehlanzeige.

Stunden später verläßt der ebenfalls schwarze Issaka Kaba die Disco. Von den Vorfällen mit den Vietnamesen habe er nichts mitbekommen, sagte er der taz. Als er von Glatzen in Autos verfolgt wird, flieht er zusammen mit dem Algerier Omar Ben Noui. Der verletzt sich dabei tödlich, Kaba ruft in einer Kneipe die Polizei. Als die Beamten eintreffen, erzählen ihnen die Skins vor der Kneipentür, Issaka Kaba sei der gesuchte schwarze Täter mit der Machete. Daraufhin werden Kaba Handschellen angelegt, bis 13 Uhr muß er auf seine Vernehmung warten.

Im Klartext: Die Festsetzung und Fesselung des Asylbewerbers aus Sierra Leone stützte sich ausschließlich auf die vagen Aussagen der Rechtsradikalen, die zuvor den Algerier Omar Ben Noui zu Tode gehetzt hatten. Auch weiterhin werde gegen Kaba ermittelt, so die Oberstaatsanwältin. Persönlich betrachte sie die Umstände seiner Festnahme im übrigen nur „als Nebenschauplatz“.

Solche Erklärungen sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen. Da gibt eine Staatsanwältin zu, daß es bei der Polizei vielleicht „ein bissel sehr durcheinander zugegangen“ sei. Da wird das Opfer eines mörderischen Kesseltreibens mal eben gefesselt, über Stunden ohne Dolmetscher gelassen, obwohl bis heute niemand einen konkreten Hinweis auf seine Tatbeteiligung benennen kann. Und für die zuständige Juristin sind das alles Peanuts?

Leise Zweifel an der Berechtigung der Gubener Verhörmethoden melden sich inzwischen auch in Brandenburgs Innenministerium. Selbst wenn der Verdacht gegen Issaka Kaba sich erhärtet hätte, selbst wenn die Beamten dazu verpflichtet waren, „den Tatverdächtigen so festzuhalten, daß er nicht weglaufen kann“, Ministeriumssprecher Manfred Füger ist nachdenklich geworden. Weil auf der Gubener Wache die notwendigen Verwahrungszellen „noch im Bau“ seien, habe man mit Handschellen vorlieb genommen. „Ob das alles angemessen war, muß man natürlich prüfen lassen“, sagte Füger gestern zur taz.

Immerhin, ein paar Erfolgsmeldungen hat die Oberstaatsanwaltschaft Cottbus gestern noch vorzuweisen. In Sachen Omar Ben Noui ermittelt eine 12köpfige Sonderkommission. Insgesamt zehn junge Männer wurden bereits festgenommen, zwei hat man im Jugendheim untergebracht, fünf weitere wurden wieder auf freien Fuß gesetzt, gegen drei wird derzeit noch ermittelt.

Die Suche nach den Rädelsführern der nächtlichen Jagd läuft auf Hochtouren, versichert die Staatsanwaltschaft. Ob das die Gubener Asylbewerber tröstet, die sich von Polizei und Justiz im Stich gelassen fühlen, ist allerdings die Frage. Am Montag trafen sie sich noch einmal an dem Ort, an dem Ben Noui zu Tode kam. Pflichtgemäß übermittelte der Bürgermeister ihnen „im Namen der Bevölkerung“ noch einmal sein „ganz tiefes Mitgefühl“. „Wir werden keine national befreiten Zonen zulassen“, erklärte der Jugendpfleger Ingo Leye, der als Streetworker in Guben arbeitet. Tapfer klang das, aber nicht unbedingt überzeugend.