Kurden besetzen SPD-Zentrale

Büros verwüstet, eine Geisel genommen. Großaufgebot der Polizei sperrt weiträumig ab. Bis zum Abend noch keine Lösung in Sicht  ■ Von Elke Spanner

Eine international besetzte Delegation soll den in der Türkei inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan im Gefängnis besuchen. Dessen Leben soll garantiert werden und die Bundesregierung sich für all das stark machen. Um diese Forderungen zu bekräftigen, besetzten gestern rund 30 KurdInnen die SPD-Landeszentrale im Kurt-Schumacher-Haus am Besenbin-derhof gegenüber dem ZOB. Bei Redaktionsschluß dauerte die Besetzung noch an.

Um 11 Uhr morgens dringen die Besetzer in die SPD-Zentrale ein. Die meisten Mitarbeiter fliehen aus dem Haus; einige, die sich in ihren Büros eingeschlossen haben, werden von Polizisten befreit. Eine Sekretärin wird bei dem „brutalen Vorgehen der Straftäter verletzt“, berichtet Polizeisprecher Reinhard Fallak. Der SPD-Kreisgeschäftsführer Dirk Sielmann wird von den Besetzern als Geisel festgehalten. Sie verbarrikadieren sich im dritten Stock und demolieren die Büros, Möbel und PCs fliegen aus dem Fenster.

Vor dem Haus versammeln sich rund 300 kurdische SympathisantInnen bei Schneeschauern und eisiger Kälte. Steine fliegen auf Polizisten, die drängen die DemonstrantInnen zurück und halten sie den restlichen Tag auf einer Verkehrsinsel gegenüber der SPD-Landeszentrale mit Wasserwerfern in Schach. Eine Polizistin und zwei Demonstranten werden verletzt.

Die Stimmung wechselt zwischen kämpferischem Skandieren, aufgewühlten Beratungen und wärmenden kurdischen Volkstänzen. Parolen fliegen immer wieder wie Tennisbälle zwischen den DemonstrantInnen draußen und den BesetzerInnen an den Fenstern der SPD-Zentrale hin und her. „Wir sind Öcalan“, rufen die BesetzerInnen zu ihren UnterstützerInnen.

Den ganzen Tag über verhandelt die Polizei telefonisch mit den BesetzerInnen. Parallel bereiten sich die BeamtInnen auf eine mögliche Räumung des Gebäudes vor. Für diesen Fall drohen die BesetzerInnen damit, das Gebäude in Brand zu setzen. Man nehme diese Drohung „sehr ernst“, so Polizeisprecher Reinhard Fallak. Feuerwehrmänner mit mobilen Löschgeräten gehen daraufhin in das Haus, mehrere Lösch- und Leiterwagen beziehen in der Nähe Position.

Auslöser für die Besetzung könnte die Ablehnung der Hamburger SPD am Dienstag gewesen sein, sich mit einer Abordnung der vorgestern durch die Stadt demonstrierenden Kurden im Rathaus zu treffen, mutmaßt ein Sprecher der Sozialdemokraten: „Wir reden nicht mit gewaltbereiten Demonstranten.“ Mitglieder der GAL-Fraktion hatten sich hingegen zu einem Gespräch bereitgefunden.

Am Nachmittag wird unter den DemonstrantInnen bekannt, daß in Berlin drei KurdInnen, die in das israelische Generalkonsulat eindringen wollten, von israelischen Sicherheitsbeamten erschossen worden sind. Nun heißt es: „Terrorist Israel“, danach wird eine Schweigeminute eingelegt.

Bewegung scheint in die Verhandlungen zu kommen, als gegen 16 Uhr die BesetzerInnen fordern, daß ausgesuchte PressevertreterInnen, auch von der taz hamburg, zum Gespräch in das besetzte Gebäude kommen mögen. Die halten sich bereit, als das ZDF in einer Nachrichtensendung fälschlich meldet, das Gebäude sei von der Polizei gestürmt worden. Daraufhin brechen die Besetzer die Verhandlungen ab. Vor Redaktionsschluß werden sie wieder aufgenommen. Zugleich beginnt die Polizei mit weiträumigen Absperrungen zwischen Wallring, Steindamm und Berliner Tor: Vorbereitung für eine nächtliche Räumung?