Der Duft des grünen Basilikums

■ Satte Farben, üppige Bilder und handfeste Themen – Land und Leben sind präsent: Eine Sonderreihe des Berlinale Forums zeigt den neuen marokkanischen Film auf dem Weg zur Reife

Saftige Gärten, schöne Prinzen und viele andere gutaussehende Menschen, die nichts Besseres zu tun haben, als, auf güldene Polster gebettet, den lieben langen Tag zu singen, mit dem Bauch zu tanzen, und abends vor dem Schlafen eine Wasserpfeife zu rauchen. Und über allem hängt der Duft des grünen Basilikums. Hier, in der Welt des marokkanischen Filmmärchens „Keid Ensa – Die List der Frauen“, wäre man gern Haremsdame.

Doch am Ende fällt einem ein anderer marokkanischer Film ein, der in der diesjährigen Sonderreihe des Berlinale Forums läuft. „Adieu Forain“, der eine Art nordafrikanische Variante von „Priscilla – Königin der Wüste“ ist. Aber da Marokko nun mal nicht Australien ist, wo man aus Schönheit und etwas Talent sein Glück schmieden kann, ist Rabii, der schwule Jahrmarkttänzer in Daoud Aoulad Syads Film, ein Loser in der marokkanischen Wüste. Sein langjähriger Partner raubt ihn aus, woraufhin ihn ein im Sterben liegender Losverkäufer anheuert, der mit seinem Sohn durchs Land zieht. Während sie ihre Lose unters Volk bringen, soll er zur Unterhaltung im Glitzerfummel tanzen. Vater und Sohn sind sich aber spinnefeind, und Rabii ist der Mahlstein in ihrem letzten Kampf.

Dabei will er nur Geld sparen, um eines Tages Richtung Amerika abzuhauen. Wie alle anderen auch. Nur der Vater nicht. Der Alte stirbt schließlich, der Sohn verkauft die Bude, und Rabii steht nachts allein im Sand. Vielleicht schafft er es irgendwann, bis nach Amerika oder nach Europa zu kommen. Schlechter als in Marokko kann es dort nicht sein.

Noch beschissener als Rabii geht es den beiden Straßenkindern in Fawzi Bensaidis schwarzweißem Kurzfilm „La Falaise – Die Klippe“. Die Brüder leben vom Leergutsammeln. Ob sie ein Zuhause haben? Man erfährt es nicht. Möglicherweise ist es der Baum, in dessen Krone sie die gesammelten Flaschen aufbewahren. Seine letzte Flaschensuche bezahlt der große Bruder mit dem Leben, als er wegen einer Milchflasche die Klippe am Meer erklimmt. Er stürzt ab und treibt als Strandgut im Wasser wie die leere Flasche, die er dort zuvor gefunden hatte.

Vor zehn Jahren hätten diese Filme in Marokko noch nicht gedreht werden können, sagen die marokkanischen Filmemacher unisono. Das Land hat sich politisch in den vergangenen Jahren Jahren geöffnet. Seit einem Jahr steht ein Sozialist an der Spitze der Regierung. Doch wie sieht die Zukunft aus? „Marokko befindet sich in einer Kurve. Es ist fraglich, wohin es sich bewegt. Es könnte zu noch mehr Offenheit führen, es könnte aber auch in die andere Richtung gehen. Denn der Islam ist wieder überall auf dem Vormarsch ist“, sagt Bensaidi.

Deshalb dürfen im marokkanischen Fernsehen bis heute auch keine Küsse gezeigt werden, und dementsprechend keusch sind auch die Kinofilme: Immerhin eine fast nackte Frau in „Mektoub“, einem Krimi, aber nur Zärtlichkeiten – no Sex. Andererseits wird in „Mektoub“ ein handfester frauenverachtender Korruptionsskandal in der marokkanischen Polizei und in „Femmes et femmes“ unter anderem die häusliche Gewalt gegen Frauen thematisiert.

Diese Frauen sind längst in der Gegenwart angekommen und erheben bisweilen auch das Messer gegen ihre Männer. Doch eine starke Stellung der Frau in der Gesellschaft belegt das noch nicht. Im Gegenteil: Farida Benlyazid, die das Märchen von der List der Frauen drehte, ist seit 25 Jahren die erste Filmemacherin, die in Marokko lebt.

Das Land samt Lebensumständen ist in allen Filmen der Sonderreihe stets präsent. Sie klotzen nur so mit satten Farben und üppigen, stillebenartigen Bildern. Die Sonne brennt, und ständig riecht es nach marokkanischen Kräutern. In „Les Casablancais“ fragt ein kleines Mädchen seinen Freund: „Warum magst du mich mehr als andere?“ Er antwortet: „Weil du es bist.“ „Aber was magst du an mir?“, hakt sie nach. „Deinen Busen“, sagt er. Sie schaut an sich herab und entgegnet: „Aber ich habe doch gar keinen“, worauf er feststellt: „Aber du wirst einen haben!“ Das könnte man über den neuen marokkanischen Film auch sagen. Petra Welzel

Adieu Forain 27.2., 19 Uhr; La Falaise 19.2., 18 Uhr; Mektoub 18.2., 18 Uhr; Femmes... et Femmes 18.2., 18 Uhr; Les Casablancais 23.2., 10 Uhr, HdKdW