Stelle oder Stütze

■ Zwickel will Jugendlichen, die Jobangebote ablehnen, die Sozialhilfe streichen. Bei vielen Sozialdemokraten trifft er damit auf Zustimmung

Berlin (dpa/rtr/taz) – IG-Metall- Chef Zwickel hat vorgeschlagen, ausbildungsunwilligen Jugendlichen die Sozialhilfe zu streichen. Wer eine Lehrstelle ablehnt, die ihm im Rahmen des 100.000-Job- Programms der Bundesregierung angeboten wurde, soll auf Stütze verzichten müssen. „Der Staat hat kein Geld zu verschenken“, sagte Zwickel gegnüber dem Spiegel. „Wenn es ausreichende Angebote für Jugendliche gibt, kann es auf Dauer keine Wahlfreiheit geben zwischen der Ablehnung von Lehrstellen und dem Empfangen von Sozialleistungen.“

Unterstützung findet Zwickels Vorstoß bei Familienministerin Bergmann (SPD). Wer unbegründet ein Ausbildungsangebot ablehne, müsse damit rechnen, daß ihm die Sozialhilfe gekürzt werde, sagte sie. SPD-Sozialexperte Dreßler schlug vor, bei wiederholter Ablehnung von Angeboten die Sozialhilfe nicht mehr als Barzahlung, sondern nur noch in Sachwerten oder Gutscheinen zu leisten. Beides sei nach geltendem Recht bereits möglich.

Eine völlige Streichung der Sozialleistungen hält Dreßler aber weder mit geltendem Recht noch mit der Verfassung für vereinbar. Der Staat könne niemanden zum Betteln oder Stehlen zwingen, so Dreßler zur Neuen Osnabrücker Zeitung.

Ins selbe Horn stößt auch Nordrhein-Westfalens Arbeitsministerin Ilse Brusis (SPD). Langzeitarbeitslosen Jugendlichen sollen die Sozialleistungen gekürzt oder ganz gestrichen werden, wenn sie sich Arbeitsangeboten entziehen, forderte Brusis. „Wir werden Desinteresse nicht belohnen.“

Massive Kritik übte Peter Grottian, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, an den Vorschlägen: „Das ist dumpfer Populismus.“ Das Bild der undankbaren, faulen Jugend werde gezeichnet, ohne tiefgreifender am Strukturproblem des 100.000-Job-Programms zu arbeiten. „An vielen Arbeitsbiographien von Jugendlichen geht dieses monströse Bürokratieprogramm schlichtweg vorbei.“ Jeder müsse das Recht haben, Angebote abzulehnen.

2,1 Milliarden Mark hat Rot- Grün für das Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit bereitgestellt. Bislang wurden laut Bundesanstalt für Arbeit 123.000 Jugendliche angesprochen, 63.900 erhielten ein Angebot, 5.800 fanden eine Stelle. Eine Teilnahme am Programm lehnten 8.800 Jugenliche ab.

„Schuldzuweisungen und demütigender Druck machen nicht beweglich“, warnt Grottian. Das könne nicht gewollt sein. Auf den Werbeplakaten für das Jobprogramm für Jugendliche steht schließlich groß und fett „Jump“ – Jugend mit Perspektive. Markus Völker