Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich nicht ungeniert

■ 40 Millionen Mark für Werbung täuschen nicht darüber hinweg, daß die Bahn ein Imageproblem hat. Dabei wäre die staatliche Aktiengesellschaft so gern edel, zeitgemäß, teuer und vor allem modern

Karin H. hat es geschafft. Der InterCity Night von München nach Berlin ist durchgekommen. Zwar war es eine unruhige Nacht, aber vom ständigen Gerüttel abgesehen, verlief die achtstündige Fahrt ohne beängstigendes Bremsen auf freier Strecke oder abrupten Aufprall. Sogar die Klimaanlage lief gut temperiert.

Das ist bei der Deutschen Bahn AG momentan keinesfalls normal. Bereits dreizehn Unfälle mit 49 Verletzten und zwei Toten mußte sie dieses Jahr verzeichnen. Kein Grund zur Panik, sagt die Bahn. Doch Reisende wissen es besser. Karin H. hat nur ihre fast unüberwindliche Flugangst auf die Schiene gebracht. Wohl war ihr beim Einstig auf Gleis 22 am Münchner Hauptbahnhof nicht.

Die Bahn steckt im „Imagetief“, wie die Werbefachzeitschrift Horizont schreibt. Das ist das Schlimmste, was einem Unternehmen passieren kann. Seit ihrer Wandlung zum „Unternehmen Zukunft“ Anfang der neunziger Jahre hat die Bahn Hunderte Millionen Mark in ihr Image gesteckt. Mühsam näherte sich die Bahn dem Bild, das einzig der ICE transportierte: Sicherheit, Komfort, Fortschritt. Mit dem Hochgeschwindigkeitszug ICE hatte die Bahn die Konkurrenz zum Flugzeug aufgenommen. Doch mit dem Desaster von Eschede im Juni vergangenen Jahres haftet dem weißen Zug auch das Negativbild eines Flugzeugs an: Kracht es, herrscht der Tod.

Ein „zunehmendes Imageproblem“ sieht Norbert Drees, Professor für Marketing an der Fachhochschule Erfurt. Als Unternehmensberater hat er in den achtziger Jahren die damalige Bundesbahn auf ihr Leben als Aktiengesellschaft vorbereitet. Selbstverständlich habe die Bahn weiterhin große Chancen, immerhin besitze sie ja quasi das Monopol auf den Schienentransport. Aber die Bahn mache strategische Fehler. Inmitten einer „Serie von Pannen“ von Preiserhöhungen zu sprechen, hält Drees für die „falsche Diskussion zur falschen Zeit“. Verunsicherten Kunden noch mit höheren Preisen zu drohen, „halte ich für gewagt“.

Die Zielgruppe der Bahn AG mag das nicht schrecken. Denn in ihrem jüngsten Werbeauftritt spricht die Bahn die Gutbetuchten und Genießer an. Rotwein trinken, ein gutes Buch lesen, Zeit und Leben im Schalensitz des ICE genießen – so hat Filmemacher Wim Wenders die Protagonisten seiner seit Januar laufenden Werbefilme für die Bahn in Szene gesetzt. Wenders und prominente Mitspieler wie der ehemalige Fußballprofi Günter Netzer, Hatari-Schauspieler Hardy Krüger oder der große alten Mann der Islam-Phobie, Peter Scholl-Latour, sollen „die Grundsympathie für die Bahn“ erhöhen, wie Bahn-Marketingchef Ingo Bretthauer sagt. Immerhin 2,3 Millionen Mark gab die Bahn für die TV-Spots aus. Horizont schätzt, daß der gesamte Werbeetat bei 40 Millionen Mark liegt. Zu dem angestrebten Image – teuer, edel, zeitgemäß – soll auch die jüngst gestartete Printstaffel beitragen. Mit dem Autovermieter Sixt wirbt die Bahn für einen Leihwagen am Bahnhof: ein Mercedes der A-Klasse. Ulrike Fokken