Regiert wird die EU nicht von der EU-Kommission, sondern von den Mitgliedsländern

„Die Kommission ist nicht allmächtig“, gibt sie selbst sich auf ihrer Internetseite bescheiden. Aber „das Kernstück“ Europas sei sie doch. Vielfach wird sie gar für eine Art europäische Regierung gehalten. Doch der Vergleich der EU mit nationalen Regierungen hinkt. Im allgemeinen macht weder das Parlament die Gesetze, noch trifft die Kommission die Entscheidungen. Regiert wird die EU von den Regierungen ihrer Mitgliedsländer.

Das liegt daran, daß die europäischen Staaten bei der Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht bereit waren, ihre Souveränität abzugeben. Im Ministerrat werden die Gesetze der Union gemacht und die Politik beschlossen. Meistens treffen sich die Fachminister der Mitgliedsregierungen, zweimal im Jahr kommen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten zu einem Gipfel zusammen.

Früher konnte keine Mitgliedsregierung im Rat überstimmt werden, doch werden bei den meisten Politikfeldern die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefällt. Der Gerechtigkeit halber muß erwähnt werden, daß der Rat inzwischen bei vielen Fragen einen Teil seiner Macht mit dem Europaparlament teilt. Wenn das Parlament ein Gesetz ablehnt, muß es in den Vermittlungsausschuß.

Dennoch ist der Einfluß der Kommission nicht zu unterschätzen. Ihre 20 Kommissare (vergleichbar den Ministern einer Regierung) und 15.000 Mitarbeiter sind der Motor der EU-Politik. Sie hecken die Gesetze aus, die der Ministerrat hinterher erläßt, sie verwalten das Geld, und sie wachen über die Einhaltung der Verträge und die reibungslose Funktion des Binnenmarkts (berüchtigt ist hier vor allem Wettbewerbskommissar van Miert).

Und wer überwacht die Kommission? Das ist die Aufgabe des Parlaments. Nach dem Maastrichter Vertrag ist die Amtsdauer der EU-Kommission der des Parlamentes angeglichen worden, damit das jeweils neue Parlament der neuen Kommission ihr Plazet geben kann. Die Kommissare selbst aber werden nicht vom Parlament, sondern wiederum von den Regierungen der Mitgliedsstaaten vorgeschlagen – die großen Länder dürfen zwei, die kleinen einen nach Brüssel entsenden. Das Parlament kann ein Veto gegen die gesamte Kommission einlegen, nicht aber gegen einzelne Mitglieder. Ernannt wurde die amtierende Kommission im Januar 1995. Regulär würde sie erst im Januar 2000 aus dem Amt scheiden.

Mit ihrem Rücktritt stellt sich die Frage, wann eine neue Kommission eingesetzt wird. Theoretisch könnte schon der EU-Gipfel im Juni eine Vorschlagsliste erarbeiten, die noch vor der EP-Wahl vom Parlament abgesegnet werden könnte. Dann aber würde der Amsterdamer Vertrag, der zur neuen Wahlperiode in Kraft treten soll, ausgehebelt. In dem Vertrag wird dem Kommissionspräsidenten eine stärkere Rolle als bisher zugedacht. Wird er noch vor Inkrafttreten des Vertrages bestimmt, muß er für die kommenden fünf Jahre auf zusätzliche Rechte verzichten. N. Liebert/T. Denkler