Datenschutz, was ist das?

■ Neues aus Umtata, Teil 6: Warum das Leben ohne ihn so viel leichter ist

Hast Du mal versucht herauszubekommen, wo Deine Tante geblieben ist, wenn Du sie am Flughafen erwartest, und sie kommt nach der Landung nicht aus dem Gate? Oder Du mußt dringend die Eltern einer Freundin Deiner Tochter anrufen und fragst im Schulsekretariat nach deren Telefonnummer? „Nein, da können wir Ihnen leider nicht helfen“, bekommst Du überall zu hören, „wir beachten den Datenschutz.“

Nicht so in Umtata. Die Tante hat den Anschlußflug verpaßt? – Kein Problem im Flughafen. Ein paar Tasten am Computer gedrückt und schon erscheint die Passagierliste auf dem Bildschirm. Du darfst selber nachgucken, wo ihr Name steht und für welchen Flug sie umgebucht ist. Telefonnummer der Schulfreundin? – Gerne ist das Sekretariat mit Privat-, Arbeits- und Funktelefonnummer behilflich. Selbst scheinbar kompliziertere Wünsche sind ohne Datenschutz kein Grund zur Sorge. Du wunderst Dich über die hohe Telefonrechnung im letzten Monat? In Umtata gehst Du einfach zum Telekom-Laden, sagst Deine Nummer und bekommst einen feinen Computerausdruck in die Hand. Nichts mit verschlüsselten Ziffern. Alle Nummern stehen da in voller Länge, daneben Datum, Uhrzeit, Gesprächsdauer und Preis – eben das, was Du wissen willst.

Werbung, die den Briefkasten verstopft? In Umtata freut man sich über Post, und wenn man sie nicht lesen will, wirft man sie eben weg. Scheidungsantrag gestellt und Angst vor dem Tratsch? Kein Grund für Geheimnistuerei in Umtata. Hier redet sowieso jeder ständig mit jedem über alles, also auch der Standesbeamte mit der Cousine zweiten Grades über Deine Ehe. Sollen sie doch lieber gleich die Fakten wissen und sich nicht mit Gerüchten aufhalten.

Wie einfach ist das Leben ohne Datenschutz. Schon das Wort läßt sich gar nicht übersetzen, und wer es trotzdem versucht, erntet merkwürdige Blicke. Warum soll mich denn der Lebensversicherungs-Vertreter nicht auf meinem Handy anrufen? Wenn ich nicht mit ihm sprechen will, kann ich es doch abschalten. Abiturnoten und die Ergebnisse von Staatsexamen werden in Umtata in der Zeitung veröffentlicht, die Termine für Einstellungsgespräche über das Radio bekanntgegeben. Der Post wird grundsätzlich mißtraut, aber irgendjemand wird die Sendung schon hören und den Termin an die richtige Person weitersagen.

Allerdings sind Daten so frei in Umtata, daß sie manchmal schon wieder schwer zu bekommen sind. Dein Steuerbescheid vom vorletzten Jahr liegt wahrscheinlich zusammen mit denen Deiner Nachbarn und Kollegen im Altpapiercontainer vor dem Finanzamt. Aber finde ihn da mal. Oder es geht Dir wie Wilna. Die wollte vor ihrem Umzug unbedingt die Stromrechnung ihres alten Hauses bezahlen. In der Stadtverwaltung gab es zwar durchaus offene Rechnungen für dieses Haus. Die lagen allerdings Jahre zurück und hätten von Wilnas Vormietern bezahlt werden sollen. Ihre eigene Rechnung war dagegen unauffindbar, vielleicht hatte sie jemand der Post anvertraut. Aber ohne den lästigen Datenschutz ist so ein Problem eigentlich gar keines. Wenn wir Wilnas Unterlagen nicht haben, dachte sich der Schalterbeamte, dann soll sie halt dies hier bezahlen, griff in seine Ablage und gab ihr eine Endabrechnung. Zwar stimmten weder Name noch Straße, aber immerhin war die Hausnummer die gleiche wie an Wilnas altem Haus, und unter dem Strich war die Summe eigentlich auch ganz akzeptabel.

Dirk Asendorpf