Gräßliche Serben-Parolen

Beim Ostermarsch verglichen Jugoslawen den Bundeskanzler mit Hitler und forderten ein serbisches Kosovo. Die Friedensbewegung ist beschämt  ■ Aus Berlin Annette Rollmann

Nicht wenige Demonstranten, die an den Ostermärschen am Wochenende in mehreren deutschen Städten teilgenommen haben, sind entsetzt über die nationalistisch eingestellten Serben, die die Demonstrationen zum Anlaß nahmen, um für ein serbisches Kosovo auf die Straße zu gehen.

Für die Serben stand offensichtlich weniger der Frieden im Vordergrund als vielmehr die Vertretung ihrer nationalistischen Interessen. In Berlin reckten sie die Arme und riefen „Kosovo ist serbisch“ und hielten Bilder von Milošević in die Höhe.

„Das waren gräßliche Parolen, die dort gerufen wurden“, sagte Sibyll Klotz, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Auch wer gegen den Einsatz der Nato demonstriere, dürfe doch nicht vergessen, daß Milošević Menschrechte verletzte und Menschen töte, sagte Klotz zur taz. Als die serbischen Demonstranten eine amerikanische Fahne verbrannten, habe sie „eine Gänsehaut bekommen“. Gleichwohl zweifelt Klotz aber daran, daß es noch „die“ deutsche Friedensbewegung gebe.

„Auch die deutschen Demonstranten hatten ganz unterschiedliche Motive“, sagte Klotz. In den kommenden Tagen müsse man das Augenmerk ohnehin verstärkt auf die Flüchtlinge aus dem Kosovo richten. „Es ist unglaublich, daß die Bundesregierung keine Vorsorge für die Menschen, die nun von Krankheiten bedroht sind, getroffen hat.“

Der Berliner Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Christian Ströbele, sagte, er sei zwar über „das Publikum auf der Demonstration nicht nur begeistert“ gewesen, aber der Konflikt mit den Serben werde „zu hoch gehängt“. „Es waren nicht alle auf einem pronationalistischen Trip“, meinte Ströbele. Viele Serben seien auch nur aus familiären Gründen zur Demonstration gekommen und schlicht verzweifelt gewesen. Allerdings fügte er auch hinzu, daß Veranstalter von künftigen Friedensdemonstrationen deutlicher darauf hinwirken sollten, daß keinen nationalistischen Embleme hochgehalten werden.

Verständnis für die Gefühle der Serben zeigte die Sprecherin der „Berliner Friedenskoordination“, Laura von Wimmersperg. „Das Land ist nun mal in einer außergewöhnlichen Situation. Die Jugoslawen haben ein anderes Verständnis von Heimat“, sagte Wimmersperg, die dem marxistischen Forum der PDS nahesteht. Ralf Siemens, Sprecher der „Kampagne gegen Wehrpflicht“, glaubt nicht, daß sich die Friedensbewegung nun zum Werkzeug der Serben mache. Aber auch er forderte, man solle deutlicher darauf achten, welche Gruppen an Demonstrationen teilnehmen. „Wer Frieden will, muß auch Abschied nehmen von Nationalismen.“ Auf der anderen Seite könne man keine Gruppe ausschließen, und die Bomben der Nato hätten in Serbien diesen Nationalismus verstärkt geschürt.

Die verteidigungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Angelika Beer, will sich auf keine Seite der Konfliktparteien stellen. „Für die nationalistischen Serben gilt auch der Grundsatz der Demonstrationsfreiheit.“

Einen Bruch zwischen demonstrierenden nationalistischen Serben und der deutschen Friedensbewegung werde es nicht geben, sagte Horst Trapp von der Koordinationsstelle Infostelle Ostermarsch in Frankfurt am Main. „Ich habe wenig Verständnis für Nationalisten. Aber ich habe auch das Leid der Serben gesehen. Die weinenden Frauen und verzweifelten Männer.“