Kriegsgegner oder Friedensfreunde

■ Die Rechte und die Linke wenden sich derzeit mit frappierend ähnlichen Argumenten gegen den Nato-Einsatz auf dem Balkan

„Der ganze Balkan ist nicht die Knochen eines einzigen pommerschen Grenadiers wert“, behauptete einst Bismarck. Die NPD, die sich selbst „in der geistigen Haltung des eisernen Kanzlers“ sieht, ist derzeit genau dieser Meinung. Einen Tag nach Beginn des Nato- Einsatzes erstattete sie Strafanzeige gegen Bundeskanzler Schröder und „seinen Außenminister Josef Fischer sowie Verteidigungsminister Rudolf Scharping wegen offenkundigen Verfassungsbruchs“. Zwei Tage später veranstaltete ihre Nachwuchstruppe in Würzburg eine Kundgebung gegen den „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Nato in Serbien“. Plötzlich wollen die Rechtsextremen die eifrigsten Friedensfreunde sein.

Das völkisch angehauchte Potential hat endlich ein dankbares Thema gefunden; einen Konflikt, der die rechten Gemüter bewegt wie schon lange kein anderes mehr. Und ihre Stellungnahmen klingen so, als würden diejenigen, die sonst die NS-Herrschaft hochloben, sich nun weigern, den Krieg als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln zu begreifen. „Kein deutsches Blut für das alliierte Terrorbombardement“, fordert die NDP.

Der ehemalige RAF-Anwalt und heute zum national begeisterten Spektrum gehörende Horst Mahler schickt Faxe an Zeitungsredaktionen: „Deutsche! Wollt ihr wirklich diesen Krieg? Wenn nicht, dann geht auf die Straße! Wir sind das Volk!“ Von dem NPD- Jungbrunnen Junge Nationaldemokraten, die ansonsten mit den extrem rechten, gewaltbereiten „Hammerskins“ kokettieren, bis zu den sich gemäßigt gebenden „Republikanern“ sind sich alle einig: Der Krieg soll gestoppt werden. Damit befinden sie sich in unvermuteter Gesellschaft. Dieselbe Forderung wird auch vom linken Spektrum erhoben.

„Wir sagen nein zum Krieg in Jugoslawien! Nein zum Einsatz der Bundeswehr in diesem Krieg! Nein zur Kriegspolitik der Bundesregierung“, heißt es in einer Erklärung von PDS-Parteivorstand und -Bundestagsfraktion. Eine Haltung, die mittlerweile von vielen (Ex-)Mitgliedern der Grünen favorisiert wird. Diese Forderung ist nicht das einzige, was die Linke und die Rechte angesichts des alliierten Angriffs verbindet. Zu sehr scheinen sich plötzlich die Argumente, gar die Rhetorik, dafür in beiden politischen Lagern zu ähneln. So ist das Nato-Bombardement gegen jugoslawische Ziele nach Auffassung der NPD genauso „völkerrechtswidrig und nicht duch ein UNO-Mandat rechtlich abgesichert“ wie für einen breiten Teil der neuauferstandenen Friedensbewegung.

Die „Republikaner“ befürchten genauso eine „Demontage der Vereinten Nationen“, wie viele Grünwähler es seit Beginn des Konflikts tun. Horst Mahler lehnt die „Rolle eines Welthilfspolizisten“ für die deutschen Streitkräfte ab – eine Forderung, mit der die wenigsten linksradikalen Autonomen Probleme haben dürften. Auf ihrem Europa-Parteitag Ende März verurteilen die „Republikaner“ die deutsche Beteiligung „am Angriffkrieg der Nato gegen Serbien“. In einer Resolution heißt es: „Menschenrechte lassen sich nicht mit Aggression und Gewalt gegen den Willen der Völkergemeinschaft mit dem vermeintlichen Recht des militärisch Stärkeren durchsetzen.“ Es könnte von mancher linken Publikation Wort für Wort abgeschrieben sein.

Die Ablehnung des Krieges und die Forderung nach Beendigung der Nato-Angriffe ist aber nicht mehr als der kleinste gemeinsame Nenner beider Spektren. Der wichtigste Unterschied besteht darin, daß der Antimilitarismus, der in diesen Tagen von den Rechten so geschätzt und erwünscht wird, am Ende doch alles andere ist als echter Pazifismus. Im Thule- Netz, der am weitesten verbreiteten rechtsextreme Website, heißt es klipp und klar: „Es kann nur einen geben. Deutscher oder Ausländer. Albaner oder Serben. Ureinwohner oder Zuwanderer.“ Ricardo Ginés-Echeverria