Humanitäre Katastrophe  ■ Von Fanny Müller

„Ist dies ein richtiger Krieg?“ hatte ich in meiner Schusseligkeit gelesen, aber in Wirklichkeit hatte die Bild-Zeitung am 30. März gefragt: „Ist dieser Krieg richtig?“ Fünfzig „Prominente“ antworteten, beispielsweise Jan Ullrich (25), Tour-de-France-Sieger 1997: „Mein Sport ist nur auf friedlichen Straßen möglich. Wo Bomben fallen, hat der Sport verloren. Deshalb bin ich für schnellen Frieden auf dem Balkan ...“

Auch 'n Argument. Ungefähr so einleuchtend wie „Ich trinke Jägermeister, weil ...“ Oder Oliver Bierhoff (30), Kapitän der Fußballnationalmannschaft: „Es ist nie schön, wenn es Krieg gibt ... So ist dieser Krieg wohl die letzte Möglichkeit. Die Politiker haben sich das ganz genau überlegt.“ Genau! So wie Politiker das immer machen, das ist bekannt: Genau überlegen, ob das Kapital das auch gut findet, und dann: Hau rein, Kapelle. Auch „Weltmeister“ Sepp Maier (55) sagt was: „ Solange es so verrückte Menschen gibt, gibt es auch keine andere Möglichkeit. Miloevic ist vergleichbar mit Saddam. Man kann doch nicht einfach plündern und morden.“ Sepp! Du Depp! Man kann! Man kann! Man konnte schon immer und zwar – du wirst es nicht glauben – irgendwie ganz einfach.

Gotthilf Fischer (71), Chordirektor, ist auch mit dabei: „Alle Menschen sind Brüder und Schwestern. Es muß jemanden geben, der es ihnen auch vermittelt. Dieser Diktator ist der Falsche ...“ Tja, diese falschen Diktatoren – immer dasselbe – die haben die Bruder-Schwester-Nummer noch nie hingekriegt. Fällt mir ein – gegen diesen Gottkrieg Fischer müßte eigentlich auch mal was gemacht werden. Gibt es für solche Menschen nicht Musiktherapeuten? Für die Soldatenfamilien gibt es jetzt ja Soldatenfamilientherapeuten und ein Nottelefon und alles.

Sehr eigenartig finde ich, daß hier schon gejammert wird, ehe überhaupt ein einziger deutscher Soldat abgemurkst worden ist. Wobei das mit dem Abmurksen ja ganz normal ist. Die sind da doch alle freiwillig hingegangen, und es gibt Informationen darüber, daß, wenn Soldaten einen Krieg mitmachen, sie eventuell ohne einige lebenswichtige Teile wieder nach Hause gebracht werden. – Ich meine, wenn ich auf Bademeister lerne, dann muß ich damit rechnen, daß ich irgendwann mal naß werde.

Am Ostermontag war ich dann auf dem Ostermarsch. Die beste Rede hat ein Grüner gehalten, der war 91 Jahre alt, und er sprach auch mehrmals von „Jochen Fischer“, was aber egal ist, denn diesen Namen sollte man sich sowieso nicht merken, außer wenn davor Susanne steht oder wenn man die Gelegenheit hat, die Träger desselben zu verhauen. Der alte Mann sagte, daß das, was die Grünen gerade machen, voll scheiße sei. Er drückte es natürlich ein bißchen anders aus. Es waren weit über 5.000, wenn nicht 10.000 Leute erschienen. Auch die Oberschwester Maren vom AK Altona mit ihrem Mann war da (er mit Fahrrad, sie auf Inline-Skates).

Dann habe ich noch Lisa P. und Gunther, Ingrid, meinen Nachbarn Martin plus Nichte sowie Keule und Rudi Fusselhaar und noch ungefähr 400 andere Bekannte gesehen, auf deren Namen ich so schnell nicht kam, also es war quasi ein Familientreffen. Einziger Trost: Die letzten zehn Jahre habe ich mir das Wählen geschenkt.