Luftnummer zum Staatsbürgerschaftsrecht

■ Gemeinsam wollen Bremer SPD und CDU „ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht“ anstoßen / Das Bundesinnenministerium erteilt eine klare Absage: „Wir bleiben bei der jetzigen Planung“

Das kleinste Bundesland will sich in die bereits laufenden Bundestagsberatungen zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts einmischen – und dabei vermitteln. Das kündigten gestern überraschend die Bürgermeister Henning Scherf (SPD) und Hartmut Perschau (CDU) vor der Presse an. Erst kurz zuvor hatten sie – wenn überhaupt – Parteikollegen von ihren Plänen informiert. Auch der Bremer Senat wurde mit dem Vorhaben offiziell bislang noch nicht befaßt – jedoch habe die informelle senatorische Frühstücksrunde, der „Schwartauer Kreis“, den Vorstoß Scherfs und Perschaus begrüßt, hieß es.

Als Ziel ihrer Bemühungen gaben die beiden Politiker an, eine möglichst hohe gesellschaftliche Akzeptanz für die Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes zu erreichen. „Das ist nach der großen Unruhe, die darüber entstanden ist, wichtig“, betonte Perschau. Die immer wieder beschworenen Unterschiede zwischen Christ- und Sozialdemokraten seien „überwindbar“. Dies zeige nicht zuletzt ein gemeinsamer Bürgerschaftsbeschluß vom August 1996. Damals hatte sich auch die CDU „in einem bemerkenswert großen Schritt“, wie Beobachter kommentierten, für die erleichterte Einbürgerung von Ausländern ausgesprochen. Das wollen die Bremer Politiker jetzt offenbar bundesweit erreichen – ohne sich dabei zu bereits erzielten politischen Kompromissen zu äußern. Allerdings müsse eine Bedingung erfüllt werden: Der jetzige Zeitplan der Gesetzesberatung müsse „flexibel gehalten“ werden. Sonst könnte es bis zur bislang avisierten Beratung des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung im Bundestag am 6. Mai „ein bißchen knapp werden“.

Während die beiden Bremer sich über die Inhalte ihres Vorschlags gestern ausschwiegen, „um mögliche Gespräche nicht zu gefährden“, zeigten sie sich über den möglichen Erfolg ihrer Initiative dennoch optimistisch. „Wir haben mit den ersten Adressen in Bonn Kontakt aufgenommen“, beantworteten sie ungeduldige JournalistInnenfragen. Ihr Vorschlag liege „so gut wie fertig in der Schublade“.

In Bonn reagiert man unterdessen nicht nur über den Zeitpunkt der Bremer Ankündigung erstaunt. Dort fanden gestern die ersten Sachverständigenanhörungen zur Reform statt, die auf einem Kompromiß zwischen FDP und Regierungskoalition basiert. Vielmehr hatten die Fachleute in den Gremien offenbar bis zum späten nachmittag keine Kenntnis von möglichen Inhalten einer Bremer Idee, sofern sie davon überhaupt gehört hatten. Auch das Bremer „Vermittlungsangebot“, durch eine „einvernehmliche Ergänzung des Grundgesetzes eine eventuell erforderliche verfassungsrechtliche Absicherung“ zu erreichen, stieß bei vielen auf Unverständnis. Zwar hat die CDU gedroht, die geplante befristete Doppelstaatsbürgerschaft für Jugendliche bis zum 23. Lebensjahr vor dem Verfassungsgericht prüfen zu lassen. Nach dem Grundgesetz ist die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft nicht möglich. Doch habe die große Mehrheit der Sachverständigen gestern überhaupt keine verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen, bestätigten sowohl Beobachter der SPD als auch der Grünen gegenüber der taz. Und im Innenministerium, wo man durch Agenturmeldungen von der Bremer Idee wußte, hieß es nur: „Wir bleiben bei unserer bisherigen inhaltlichen und zeitlichen Planung.“

ede