„Hier das Foto von dem Fettwanst“

■ Über das taz-Machen in der elektronischen Steinzeit

Zeitsprung (ungefähr 100 Jahre vor Millennium Zwei): Eine taz-Volontärin unterwegs. Bundesverteidigungsminister Volker Rühe besucht aus einem lokalberichterstattungsrelevantem Grund ein militärisches Flugfeld im niedersächsischen Nirgendwo. Die versammelte Journaille lauscht und versucht hernach Kontaktaufnahme mit der Heimatredaktion: Wichtig, wichtig! Ich brauche mehr Platz! Das ZDF-Team hat einen Hiwi dabei, dessen Job darin besteht, einen handlichen, ca. 20 Kilo schweren Kasten mit Handkurbel und Hörer in der Gegend herumzutragen – ich sage nur: it's a Handy!!!

Manchmal muß besagte Ex-taz-Volontärin lachen, wenn sie heute vom Mobiltelefonierverhalten 13jähriger Handybesitzer terrorisiert wird. Der Text für den Bremer Lokalteil fiel damals übrigens fast aus, da auch nach stundenlangem Fußmarsch nirgends ein Telefon aufzutreiben war, von dem die tazlerin das hätte durchtelefonieren können, was sie zuvor auf einer 5 Kilo schweren elektrischen Schreibmaschine namens „Texi“ verfaßt hatte, die zwar zur Datenübermittlung per Telefonleitung in der Lage war, aber nur mittels dreier 20 Kilo schweren Adapter und Zusatzgeräte, die zudem immer gerade kaputt oder verschütt waren.

Legendär auch die Zeit der „Schwarzen Raben“, die zwar der Belustigung der geneigten LeserInnenschaft dienten, aber der Alptraum aller taz-Bremen-CvD's waren: Zeitung gelayoutet, Texte mit Ach und Krach rechtzeitig elektronisch zur Druckerei nach Pinneberg versendet, Fotos mit Kurierdienst (!) hinterher, und auf die Seiten Anmerkungen wie „Und hierhin, lieber Dieter, das Foto von dem Fettwanst“, wahlweise: „Oh Dieter, ewiger Retter in immerwährender Not, hierhin das hübsche Bildchen von unserem händeschüttelnden Bildungssenator“. Dieter war der Setzer, der den ganzen elektronischen Kram wieder per Hand zusammenbastelte; bisweilen ließ er dabei Setzer-Ehre vor Redaktions-Nöte gehen. Kam der Kurierdienst mit den Fotos zu spät (oder hatten wir schlicht was vergessen), setzte Dieter an die leeren Stellen einen „Schwarzen Raben“ – und wenn alles zu spät kam, erschien auch mal die interne Bildanweisung in der Zeitung, ähemmm....

Gerne wurde die damals hochaktuelle Technik auch durch die physischen Denkbewegungen eines gewissen Til Mette auf dem Redaktions-Schwingboden (wg. ehemaligem Tanzstudio Am Dobben) durcheinandergebracht, allerdings stürzen auch heute noch Computer ab, wenn man sie nicht mag.

Ein Archiv ist hingegen ein Archiv ist ein... Wurde aus selbigem mal etwas benötigt, bedeutete das: Anruf im Berliner Mutterhaus (geht nie jemand ran), dem Archivar Wunsch vortragen, warten, warten, warten... Manchmal kamen ein paar Infos, manchmal nicht.

Und heute? taz-CD-ROM reingeschoben, Stichwort eingegeben... fertig. Geht's um was ganz Aktuelles? Online ist nicht nur das taz-Archiv; an die zwanzig Zeitungsarchive sind bequem und kostenlos von überall zugänglich. Absprachen und Texte flitzen per email von egal wo in die Redaktion, digitale Bilder hängen hintendran... Gleich vom ans Laptop angeschlossenen Handy wird „Text kommt erst zwei Minuten vor Redaktionsschluß, keinen Herzinfarkt kriegen“ zum CvD gemailt. Ja, ich, Peter von Zahn und Geschichten aus einer anderen Zeit...

Susanne Kaiser, ab 1991 Volontärin der „taz Bremen und Umzu GmbH“ und bis 1997 Redakteurin und CvD in Bremen und im Mutterhaus, heute Medien-Freelancerin, Moderatorin, Managerin und Sextoy-Dealerin in Berlin