Kommentar
: Hausgemachtes Desaster

■ Sozialdemokraten im Sinkflug

So katastrophale Umfragewerte hatte die Berliner SPD schon lange nicht mehr. Nach der Bundestagswahl im vergangenen Herbst lag die Hauptstadt-SPD noch bei 40 Prozent. Seitdem befindet sie sich im stetigen Sinkflug, mit 26 Prozent ist nun ein neuer Tiefstand erreicht. Die Chancen auf einen rot-grünen Wechsel schwinden.

Das Desaster der Genossen ist in erster Linie hausgemacht. Schon im Januar ergaben Umfragen, daß der frisch gekürte Spitzenkandidat Walter Momper vor allem im – wahlentscheidenden – Westteil der Stadt nicht gerade populär ist. Momper, das sagten Meinungsforscher schon damals, koste seine Partei Prozente.

Wer nun glaubte, im Kurt-Schumacher-Haus würde eine pfiffige Sympathiekampagne für Momper entworfen, irrte. Statt dessen durfte der Spitzenkandidat in der vergangenen Woche ein Plakat mit vielen bunten Sokken präsentieren – eine recht ausgelatschte Anspielung auf die Rote-Sokken-Kampagne der CDU.

Momper-Anhänger werteten es als großes Plus, daß der Spitzenkandidat nicht in die Große Koalition eingebunden ist, weil er so den rot-grünen Wechsel glaubhafter verkörpern könne. Dies scheint sich nun zu seinem Nachteil zu wenden: Momper werde nicht mit tagespolitischen Entscheidungen in Verbindung gebracht, analysieren Meinungsforscher.

Doch ist der Spitzenkandidat nicht das einzige Problem der SPD. Die Genossen sind auf dem besten Wege, nahezu alle Fehler des Wahljahres 1995 zu wiederholen. Immer noch ist unklar, mit welchen Wahlkampfthemen die Sozialdemokraten Wähler gewinnen wollen. Schon vor vier Jahren fehlte es an Inhalten, mit denen sich die Genossen vom Koalitionspartner CDU abhoben. Wie befürchtet, erweist sich die als demokratisch gepriesene Urwahl als Hindernis: Im parteiinternen Vorwahlkampf wurden Energien verschlissen. Seit der Momper-Wahl Mitte Januar herrscht Flaute.

Zudem haben es die Genossen versäumt, beizeiten zu erklären, was Rot-Grün Positives für Berlin bringen könnte. Jetzt, wo die Farbkombination auch auf Bundesebene an Strahlkraft verloren hat, wird dies ein um so schwierigeres Unterfangen. Dorothee Winden

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