Von Frieden und Appeasement

Der Völkerbund, nach dem Ersten Weltkrieg als Instrument der Zusammenarbeit zwischen den Nationen und der Friedenssicherung gegründet, scheiterte in den dreißiger Jahren, weil seine Sanktionsbefugnisse – Waffenembargen, Kredit- und Rohstoffsperren – zu schwach waren, um Deutschland, Italien und Japan von ihrer Kriegspolitik abzuhalten.

Deutschland trat im Rahmen der Entspannungspolitik mit Frankreich 1926 dem Völkerbund bei, verließ ihn aber wieder 1933 nach der Machtergreifung der Nazis. Die Vereinten Nationen (UNO) haben versucht, mit der Möglichkeit militärischer Sanktionen bei Bedrohung des Weltfriedens die Lehren aus der zentralen Schwäche des Völkerbundes zu ziehen.

Unter der Ägide des Völkerbundes wurde versucht, durch internationale Verträge die Abrüstung durchzusetzen. 1925 wurde das Genfer Giftgasprotokoll unterzeichnet, das die Anwendung, nicht aber die Herstellung chemischer und bakteriologischer Waffen verbot. Die Genfer Abrüstungskonferenz tagte von 1932 bis 1935, brachte aber keine Ergebnisse.

Mit dem britisch-deutschen Flottenabkommen von 1935 wurde die Idee multilateraler Abrüstung in ihr Gegenteil verkehrt. Nach der systematischen Aufrüstung der faschistischen Mächte sah sich die Friedensbewegung in den Demokratien vor dem Dilemma, entweder die Rüstung des eigenen Landes mitzutragen oder als profaschistisch abgestempelt zu werden.

Das Münchener Abkommen, am 30. September 1938 zwischen Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien abgeschlossen, zerstückelte die Tschechoslowakei, indem es die „Sudetengebiete“ an das Deutsche Reich angliederte. Die tschechische Regierung wurde bei diesem Beschluß nicht konsultiert. Der britische Premier Neville Chamberlain erklärte bei seiner Rückkehr nach England, er habe einen „ehrenvollen Frieden“ ausgehandelt und fügte hinzu: „I believe it is peace in our time“. Das Münchner Abkommen war der Höhepunkt der Appeasementpolitik.

Die britische Friedensbewegung reagierte auf das Abkommen gespalten. Die Nationale Regierung, die in den dreißiger Jahren unter dem von der Labour Party abgefallenen Ramsay McDonald und Stanley Baldwin regierte, wich vor der Expansion der faschistischen Mächte zurück. Die Friedensbewegung lehnte diese arbeiterfeindliche Regierung strikt ab.

Bertrand Earl Russel, bedeutender Mathematiker und Philosoph, war während vieler Jahrzehnte einer der Köpfe der britischen Friedensbewegung. Er unterstützte erst die Linie des Appeasements gegenüber Hitler, meinte aber nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, daß Hitler geschlagen werden müsse, als „notwendiges Präludium zu allem, was gut sein könnte“. In den sechziger Jahren wurde er zur Führungsfigur der neuen britischen Friedensbewegung END. Russel gehörte zu den Initiatoren des Vietnamtribunals gegen den US-Vietnamkrieg. CS