„Ersatzteile unterm Mangobaum“

■  Wer in Uganda Fahrrad fährt, will nicht die Landschaft genießen, sondern über die Runden kommen. Zusammen mit einer ugandischen Organisation sorgt die hiesige Jugendhilfe Ostafrika für erschwingliche Bikes

Anfang der neunziger Jahre war Emmeram Raßhofer am Aufbau einer Fahrradwerkstatt in einem ugandischen Waisenhaus beteiligt. Der Verein Jugendhilfe Ostafrika, dessen Geschäftsführer er ist, engagiert sich seitdem verstärkt fürs Fahrrad als alltägliche Mobilitätshilfe in Uganda, einem der ärmsten Länder Afrikas. Das landesübliche Modell – ein Nachbau der englischen Roadster-Räder aus den zwanziger Jahren – ist robuster Natur und stammt aus indischer Fabrikation. In den Städten, vor allem in Jinja am Viktoriasee, ist es auch als Velotaxi unterwegs – der Fahrgast sitzt hinter dem Chauffeur auf einem Polstersitz.

Richard Kisamadu, Leiter der Organisation Bicycle Sponsorship Project & Workshop in Uganda, organisiert in Jinja die Montage und Verteilung der begehrten Fahrräder. Bis Ende Juni ist er auf Vortragsreise in Deutschland unterwegs.

taz: Was hält der typische Fahrradfahrer in Uganda eigentlich von der hochgezüchteten europäischen Velotechnik?

Richard Kisamadu: Die komplizierten High-Tech-Räder wären völlig unpassend für Länder wie Uganda. Zum einen wegen der schlechten Wege, auf denen sich sicher alle Elemente der Federgabel lockern würden, zum anderen aber wegen der Ersatzteile und Reparaturmöglichkeiten. High-Tech erfordert qualifizierte Mechaniker und unzählige Ersatzteile. Die Mechaniker bei uns sind Experten für indische Räder, sie reparieren gebrochene Rahmen im Kohlefeuer, und Ersatzteile sind unter jedem Mangobaum beim lokalen Mechaniker zu bekommen.

Emmeram Raßhofer: Wir sehen es mit Skepsis, wenn gebrauchte Räder von hier gutgemeint nach Afrika geschafft werden. Nach ein paar Monaten sind sie unbrauchbar, weil einfach keine Ersatzteile zu kriegen sind.

Hierzulande steht das Fahrrad nicht zuletzt für Fun, Fitneß und Freizeitspaß. Für welche Zwecke wird es in Uganda eingesetzt?

Richard Kisamadu: Es wird genutzt, um ein Auskommen zu haben. Das Rad ist ein echtes Produktionsmittel. Mit ihm wird die Ernte vom Feld nach Hause oder zum Markt transportiert, wird sauberes Wasser in Kanistern befördert. In Notfällen werden per Fahrrad sogar Patienten zum Krankenhaus gefahren und Verstorbeneüberführt.

Hat das Fahrrad in Uganda eine höhere Mobilitätsbedeutung als in anderen afrikanischen Staaten? Gibt es vielleicht sogar eine offizielle Fahrradförderung?

Emmeram Raßhofer: Im Vergleich zu Kenia sind in Uganda sicher noch mehr Räder auf den Straßen zu sehen. Das mag mit der wirtschaftsliberalen Entwicklung der siebziger und achtziger Jahre in Kenia zu tun haben, als die Fahrräder dort buchstäblich vergessen wurden. Doch auf dem Land, besonders im Westen Kenias, sind sie populär. Auch in Tansania ist das Rad so verbreitet wie in Uganda. Die Situation in anderen afrikanischen Staaten ist ganz unterschiedlich, die Wertschätzung des Fahrrades hat viel mit Missionaren, der Kolonialzeit und der Politik nach der Unabhängigkeit zu tun.

Richard Kisamadu: Andererseits wird das Bike in Uganda von der Verkehrspolitik und -planung überhaupt nicht wahrgenommen. Es gibt also auch keine staatliche Fahrradförderung. Im Gegenteil: Räder sind so hoch besteuert wie Autos. Noch hat das Fahrrad keine Lobby, aber wir hoffen, mit „Fabio“ das jetzt ändern zu können. Das ist das First African Bicycle Information Office, das gerade in Jinja eröffnet wurde und Informationsarbeit für das Fahrrad als angepaßtes Transportmittel leisten will.

Wieviel Räder hat eure Initiative bisher unters Volk gebracht? Wer kann ein Velo zu welchen Bedingungen erwerben?

Richard Kisamadu: Bicycle Sponsorship Project & Workshop hat seit 1992 zirka 5.500 Räder vergeben können, davon 3.500 an Frauen. Mitglieder von Kooperativen oder einfach Leute vom Land können sich um ein Rad schriftlich oder mündlich bewerben, das Bicycle Committee des Projektes – besetzt mit Personen aus dem öffentlichen Leben – entscheidet dann über die Bewerbung.

Die Eigenbeteiligung beträgt zwanzig bis vierzig Prozent des Marktpreises, der wiederum zwischen 25 bis 50 Uganda-Shilling liegt. Außerdem muß sich der neue Besitzer verpflichten, das Rad drei Jahre lang nicht weiterzuverkaufen.

Die Jugendhilfe Ostafrika betreibt basisnahe Entwicklungsarbeit – und ist insofern selbst auf Unterstützung angewiesen?

Emmeram Raßhofer: Wir bezeichnen unsere Arbeit nicht gerne als Entwicklungsarbeit, der Begriff Entwicklung ist zu sehr diskreditiert durch Eigeninteressen von Gebern. Es ist eher die Arbeit von Fahrradfreaks in Afrika und hierzulande und macht viel Spaß. So wird auch jedes Jahr ein Radrennen für Frauen in Uganda organisiert. Natürlich brauchen wir dringend Spenden zur Finanzierung von weiteren Rädern, es liegen zur Zeit etwa 4.500 Bewerbungen vor. Die Spenden reichen derzeit pro Jahr aber höchstens für fünfhundert. Wer ein Fahrrad zeichnen will, überweist mit Angabe der vollen Adresse 180 Mark auf unser Spendenkonto und erfährt nach einer Weile aus Uganda, wer das Rad wo und für welche Zwecke benutzt. Natürlich ist es auch möglich, einen Teilbetrag zu spenden.

Interview: Helmut Dachale

Jugendhilfe Ostafrika e.V. Bicycle Sponsoring in Africa c/o Raßhofer & Schulte-Bocholt, Thankirchen 3, 83623 Dietramszell, Telefon und Fax: 08 02 7-71 14 Internet: www.epo.de/jugendhilfe/index.htm Spendenkonto 100952737

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