Wenn ein „Saubermann“ erzählt

„Weder Schlagen noch Verstümmeln ist erlaubt“, berichtet der Serbe Milan Petrovic. Der Familienvater war zehn Tage lang im Kosovo an den Vertreibungen von Tausenden Albanern beteiligt    ■ Aus Belgrad Maggie O'Kane

Seine Nachbarn nennen ihn „den Saubermacher“. Aber der Saubermacher möchte über Menschenrechte sprechen. Zwei gelbe Wellensittiche picken behutsam in ihrem schmuddeligen Käfig, während er die Regeln erklärt, die ein serbischer „ethnischer Säuberer“ im Kosovo beachten muß.

„Es ist uns nicht erlaubt, sie umzubringen; weder Schlagen noch Verstümmeln ist erlaubt“, erzählt er über die zehn Tage, die er im Kosovo damit verbrachte, Tausende von Familien aus ihren Häusern zu vertreiben. „Wir lassen den meisten 24 Stunden Zeit, um zu verschwinden. Die Reichen, müssen Sie wissen, sind alles Kriminelle, mit Satellitenfernsehen und großen Häusern. Die sind schwerer zu bewegen. Aber wenn man hart genug drängt, gehen sie am Ende alle. Es sind Feiglinge, diese Albaner, sie rennen wie die Karnickel. Der größte Teil des Saubermachens war schon erledigt, als wir dort ankamen.“

Milan Petrovic ist 50, und in seinem Unterkiefer sind ihm nur zwei Zähne geblieben. In seiner Wohnung blickt ein riesiger Fernseher auf eine muffige Küche herab. Während Petrovic spricht, glätten seine Finger die Falten des karierten Tischtuchs. „Die westlichen Medien haben eine Menge Lügen über das erzählt, was wir im Kosovo gemacht haben sollen Wir haben die Menschenrechte respektiert.“

Zu Anfang beharrt Petrovic darauf: „Es gab keine Vergewaltigungen – ein serbischer Soldat wäre gar nicht daran interessiert, eine Albanerin zu vergewaltigen. Das wäre gegen unsere Natur. Verstehen Sie mich nicht falsch, es gab da schon einige hübsche Frauen drunter, aber sogar wenn wir gewollt hätten, taten wir's nicht, weil es die Armee nicht erlaubt hat.“ Später ändert sich seine Geschichte.

Seine siebzehnjährige Tochter Daniela meldet sich zu Wort: „Albanische Frauen riechen schlecht, weil sie jede Menge Lammfleisch essen und man das auf ihrer Haut riecht.“ Milan Petrovic wippt sein Feuerzeug zwischen Daumen und Zeigefinger und verkündet, er werde morgen in das Kosovo zurückkehren, „um ein bißchen mehr sauberzumachen“.

Normalerweise verdient er sein Geld mit Lkw-Fahren, aber als der Krieg begann, hat er sich verpflichtet: „Jeder Serbe hätte sich verpflichten und unseren Abscheu für die Nato zeigen sollen.“ Einen Tag später befand er sich auf dem Weg zu ungefähr 2.000 anderen Freiwilligen, die sich in der Stadt Nis im Süden sammelten, dem Aufmarschplatz für das Kosovo. „Wir kamen aus dem ganzen Land. Ein Typ tauchte auf, der 72 war. Sie haben ihm gesagt, daß er zu alt ist, die Altersgrenze war 65.“

Bevor sie zum Dorf Silovo aufbrachen, um mit den Vertreibungen der Familien aus ihren Häusern zu beginnen, erteilte ihnen der Vize von General Pavocic ihre Befehle. Pavocic hatte schon Operationen in Bosnien geleitet. „Kein Morden, kein Schlagen, und wenn sie keine Papiere haben, gebt ihnen 24 Stunden, um zu verschwinden.“

Milan Petrovic ist ein Familienmensch. In der Tasche seiner schwarzen Hose fischt er nach ein paar Dinar für seine ältere Tochter, die sich mit ihrem Freund treffen will. Seine Ex-Frau wandert währenddessen teilnahmslos in der Küche umher.

Um die albanischen Kinder, die er rausgeworfen hat, tut es ihm sehr leid, aber wenn sie zu den Albanern gehörten, hatten sie kein Recht darauf, im Kosovo zu sein. „Ich mußte meinen Befehlen folgen, und ich wußte sowieso, daß es da immer jemanden geben würde, der diese Frauen und Kinder trifft.“

Und die Männer? „Wenn ich das Sagen gehabt hätte, hätte ich die Terroristen der UÇK auf der Stelle und mitsamt ihren Familien hingerichtet. Aber mein Befehl lautete, sie der Armee zu übergeben. Ich weiß nicht, was die mit ihnen gemacht haben. Wahrscheinlich halten sie sie als Kriegsgefangene fest.“

Es gab, räumt er jetzt ein, gelegentliche Regelverstöße unter den freiwilligen Saubermachern. „Einer von hundert, nicht mehr, würde ich sagen, hat Vergewaltigungen und Umbringen und solche Sachen gemacht. Ungefähr sechs Jungs in meiner Einheit sind eines Nachts ein bißchen außer Kontrolle geraten und fingen an, Albaner umzubringen. Aber sie haben nur drei oder vier von ihnen umgebracht, ehe sie anfingen, Zeug aus deren Häusern zu holen. Am nächsten Tag kam unsere Armee und brachte die sechs weg.“

Vom Krieg der Nato hat Milan Petrovic wenig gesehen. „Wir hörten die Flugzeuge hoch über uns, aber ich denke, die haben sich auf Pritina konzentriert, so daß sie uns keine Scherereien gemacht haben.“

Seine Tage der Säuberungen hatten einen eigenen Rhythmus. „Sechs oder sieben von uns gingen von Tür zu Tür. Wir bekamen einen von den Albanern, der im Dorf lebt, um uns auszuhelfen. Er mußte uns sagen, wer wer war, wie lang sie schon hier waren und wo die Terroristen steckten. Das machte die Dinge viel einfacher.“

Petrovic glaubt, der Job des Saubermachers erfordert einiges psychologisches Geschick. Es ist einfach, die unschuldigen Albaner und die Terroristen zu unterscheiden. Man kann das in dem Moment, wo sie die Tür aufmachen, am Ausdruck in ihren Augen ablesen. Die Terroristen haben diesen merkwürdigen Blick. Sie sind erschrocken, und man kann riechen, wie sie Angst verströmen.

„Als erstes sagen wir: 'Habt ihr irgendwelche Waffen?‘ Und dann schauen wir in ihre Gesichter und kennen die Antwort. Wenn sie die Wahrheit sagen, geht nur einer von uns ins Haus und schaut sich um. Wenn sie lügen, nehmen wir sie mit. Die Leute, die keine Terroristen sind, aber kein Recht haben, hier zu sein, werden innerhalb von 24 Stunden rausgefegt.“ Mit freundlicher Genehmigung des „Guardian“. Übersetzung: Patrik Schwarz

„Wenn ich das Sagen gehabt hätte, hätte ich die Terroristen der UÇK auf der Stelle hingerichtet“