Wahlbausteine „Bildung“

■ Junge Lehrer einstellen, Islamunterricht in die Schulen, USUS abschaffen und Abitur schon nach dem 12. Schuljahr. Bremer Sachverständige forderten, Politiker antworteten

Helmut Zachau, der bildungspolitische Sprecher der Grünen, ist enttäuscht. „Zur vollen Halbtagsschule gab es gar keine Forderungen?!“ Schade – steht die Vollbetreuung in den Schulen doch ganz oben auf der Liste der bündnisgrünen Wahlversprechen. Aber was der Vorstandssprecher des Zentralen Elternbeirats, Joachim Knuth, sich von der Politik wünscht, kommt dem vielleicht nahe: „Bei Unterrichtsausfällen“, so Knuth, „muß jederzeit eine Reservekraft bereit stehen!“

Lauter solche Wahlbausteine zur Bildungpolitik stapelten sich in der vergangenen Woche in der taz. Sechs Sachverständige „Bildung“ nämlich hatte sich die taz aus dem Pool des Bremer Bildungs-Sachverstands herausgepickt und sie um ihren Forderungskatalog gebeten: „Was müssen Bremens Bildungspolitiker nach der Wahl unbedingt in Angriff nehmen?“

Wir konfrontierten die Bildungspolitiker von SPD, CDU, Grünen und AfB mit den Forderungen unserer Bremer Bildungsräte.

Mehr junge Lehrer einstellen! Das fordern sie fast alle, die Bremer Sachverständigen. „Damit“, sagt Armin Stolle, einstiger Gesamtschulleiter Bremen-Mitte, „damit die Jugend nicht bald nur noch von ihren Opas unterrichtet wird.“ Bei Bremens BildungspolitikerInnen rennt Stolle damit offene Türen ein. Ulrike Hövelmann (SPD) sagt „Ja!!!!“: Allein, um die ganzen Pensionierungen auszugleichen, müßten im Jahr 2000 hundert junge Lehrer eingestellt werden. „Das kostet elf Millionen Mark“, weiß Hövelmann, aber: „Ohne Moos läuft bei mir nichts mehr.“ Auch Helmut Zachau (Grüne) wartet mit konkreten Versprechungen auf: „500 Neueinstellungen bis 2003!“ – mittels Arbeitszeitverkürzungen und Staatsknete. Abwarten hingegen will erstmal Klaus Bürger (CDU): Bis heute, am 8. Mai, nämlich müßten erstmal alle Lehrer-Anträge auf Altersteilzeit bei der Behörde eingegangen sein. Und außerdem will Bürger von der Bildungssenatorin jetzt mal genau wissen, in welchen Fächern und Schulen es eigentlich an Lehrkräften hapert.

Einen runden Tisch zum Thema Islamunterricht fordert Mehmet Kilinc vom Zentralinstitut Islam-Archiv – denn: „Ein Religionssunterricht auf der Grundlage christlicher Werte“, das sei doch ein bißchen zu einseitig, oder?! Nun, für einen runden Laberrhababerrhababer-Tisch sind natürlich alle. Wo es konkret um den Islamunterricht in der Schule geht, aber schrecken die Großkoalitionäre zurück. Klaus Bürger (CDU) hat „da noch kein Patenrezept“: Immerhin sei die „christliche Basis“ für den Religionsunterricht in der Bremer Landesverfassung festgeschrieben. Und auch Koalitionspartnerin Ulrike Hövelmann (SPD) zögert: „Konfessionen müssen aus der Schule rausgehalten werden.“ Weniger laizistisch als die Sozialdemokratin sieht Zachau (Grüne) die Sache: „Die Schüler müssen sich der kulturellen Quellen ihrer Normen bewußt werden – und zwar nicht nur die christlich erzogenen.“

„Weg von den tradierten Bildungsinhalten“, fordert der Sachverständige Armin Stolle: Wenn schon Leistungsvergleich an den Schulen – Stichwort USUS –, dann bitte unter der Fragestellung, wie Schüler in gesellschaftliche Prozesse integriert werden. CDU und AfB würden da bei ihm keinen Blumentopf gewinnen. Solche Leistungen seien nicht zu testen, finden Bürger (CDU) und Fuchs (AfB); ansonsten sind sie für knallharte Vergleichstests auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Für den internationalen Vergleich PISA ist auch Ulrike Hövelmann (SPD), aber „USUS sollte man lieber sein lassen.“ Da ist sie sich mit dem Grünen einig.

Der Leiter des Bremer Goethe-Instituts notierte auf seinem Wunschzettel: „Abitur nach 12 Schuljahren (wie fast überall in Europa).“ Da hat Volker Marwitz nicht nur Klaus Bürger (CDU) auf seiner Seite: „Wir müssen diese Möglichkeit an zwei Standorten in Bremen schaffen“, sagt dieser – aber: „Ohne Abschaffung der Orientierungsstufe klappt das nicht.“ Da steht er mit AfB-Fuchs schon wieder gegen Rotgrün. Weder Hövelmann, noch Zachau wollen jetzt ans 12jährige Gymnasium ran. Und auch die Orientierungsstufe soll bleiben. ( Zur Debatte um die OS siehe auch Seite 33) Unisono die beiden: „Die Zeiten der Strukturdebatte sind zum Glück vorbei!“

Bei der Berufsbildung setzen übrigens alle Parteien weiter aufs duale System. Da halten sie es eher mit der Lehrerin Elke Kröning als mit Wolfram Stein, Berufsschullehrer in Tenever und Landesbeauftragter des Bundeswettbewerbs „Demokratisch Handeln“. Dessen Plädoyer „Vollschulische Berufsausbildung sicherstellen! Denn: Der Markt schafft's offensichtlich nicht.“ findet kaum Liebhaber. Die Politik setzt eher auf Ausbildungsverbünde. Nur Helmut Zachau (Grüne) findet, die Berufsschule müsse eine aktivere Rolle spielen: „JedeR vierte Auszubildende bricht seine Lehre ab. An dieses Problem müssen wir ran – mit einer unabhängigen Stelle.“ ritz