Laßt viele bunte Bilder sprechen

Mainstream und ein bißchen Opposition auf türkisch. Türkische Hochglanzmagazine, kostenlos erhältlich, buhlen um die Gunst der Anzeigenkunden. Eine Besprechung von drei türkischsprachigen Zeitungen  ■  Von Claudia Dantschke

Der Zeitschriftenmarkt türkischsprachiger Zeitungen in Deutschland ist vor allem bunt. Eine Ausnahme davon ist sicherlich die kürzlich erschienene Zeitschrift Akrep. Sie besticht nicht gerade mit ihrem ins Grau gehenden Schwarzweiß. „Wir schaffen uns unser eigenes Medium, auch wenn wir damit nur uns selbst befriedigen.“ In dieser Aussage von Yalcin Baykul, Macher der Zeitschrift Akrep, äußert sich die Unzufriedenheit vor allem über das „eigene“, sprich türkischsprachige Medienangebot. Ein Stück Kultur und, damit verbunden, der intellektuelle Anspruch sollen nun mit Akrep verwirklicht werden. Akrep bedeutet „Skorpion“, also etwas, was stechen soll.

Eine Gruppe junger Künstler, vor allem Theaterleute, ist für das 16seitige schwarzweiße Blättchen verantwortlich. Gefeiert wurde die erste Nummer vor kurzem in der Berlin-Kreuzberger Narr-Bar, und dort war auch Selbstironie zu spüren. Die Idealisten kennen den türkischen Markt, und sie kennen das Publikum. Dieses schreit nicht gerade nach ambitionierten Kulturzeitungen. Doch das Rezept der Macher von Akrep heißt trotz alledem anecken oder auch ganz einfach sich selbst ein bißchen verwirklichen. Mit einer Zeitung, die nicht platt und durchschaubar daherkommt. Ein bißchen intellektuell darf es schon sein, nur den eigenen Gedanken und Problemen verpflichtet. Die Ansprüche an sich selbst und an den potentiellen Leser sind bei Akrep hoch gesteckt, die nicht türkischsprachige Klientel ist von diesen hehren Ergüssen ausgeschlossen. Das Heft kostet den Leser 2 Mark, denn Qualität soll nicht kostenlos sein. Bei einer Auflage von 2.000 Stück pro Monat wird über kurz oder lang auch hier die Finanzierung von den Werbeanzeigen abhängen.

Bereits seit zwei Jahren erscheint das 44seitige türkischsprachige Stadtmagazin Merhaba Berlin (Hallo, Berlin). Gegründet von Mehmet Zaül, Sportredakteur der Hürriyet-Berlin, konzentrierte sich das Heft zunächst auf die türkischen Sportvereine. Inzwischen hat es sich jedoch zum lokalen Nachrichten-, Kultur- und Sportmagazin gemausert. Statt monatlich ist es jetzt sogar alle 14 Tage in einer Auflage von 7.000 Stück kostenlos erhältlich. Hochglanzpapier und Vierfarbdruck von der ersten bis zur letzten Seite erwecken alles andere als den Anschein, daß es sich hier um ein schlichtes Anzeigenblatt handelt. Doch beim genauen Betrachten wird deutlich, daß vor allem den Anzeigenkunden, auch den potentiellen, Rechnung getragen wird.

So nehmen Berichte über Firmeneröffnungen einen breiten Raum ein. Die Aufhänger für diese Berichte sind vielfältig: die erfolgreiche Inhaberin des demnächst größten Hamam in Europa oder der berühmte Sänger, der die Gäste der Restauranteinweihung in Stimmung versetzt. Da inhaltlich oft Ebbe angesagt ist, wird das Nichts mit vielen Fotos aufgemöbelt. So kommt nicht nur der Chef samt Familie ins Bild, sondern auch einfache Vertreter des Volkes werden aus der Anonymität geholt. Die abgebildeten Personen dienen gleichzeitig zur Eigenwerbung: sie alle sind potentielle Leser von Merhaba. Dabei fällt auf, daß kaum jemand der Fotografierten älter ist als 45, es sei denn, er ist ein Anzeigenkunde. Geschickt gibt man sich so ein junges Image, wohlwissend, daß vor allem die zweite und dritte Generation mobil und zugänglich für die zahlreich beworbenen kulturellen Events sind. Auf inhaltliche Vertiefung und sprachliche Vervollkommnung wird wenig Wert gelegt, und doch gibt es Raum für Lyrik, Leitartikel des Chefredakteurs und Gastbeiträge zu Politik, Bildung, Kultur und Wirtschaft. Damit sollen auch die jungen, bildungsorientierten Schichten erreicht werden.

Von diesem Teil der türkischen Gesellschaft am stärksten ignoriert, erscheint monatlich, ebenfalls kostenlos, das „ernsthafte“ Klatschmagazin Euro-Paparazzi, das seinem Namen alle Ehre macht. Es erhebt den Anspruch, all das zu veröffentlichen, was sich andere nicht zu schreiben trauen, im XL-Format und einer Auflage von 6.000 Stück.

Das 48 Vierfarbhochglanzseiten dicke Magazin war unter Berliner Türken schon ein Begriff, bevor der Tod von Lady Diana die Arbeit der Paparazzi medienwirksam in die Diskussion brachte. Unter der Rubrik „doppeldeutige Wortspiele“, die meist bekannten türkischen Liedern entlehnt sind, reihen sich seitenweise Fotos im Kleinformat aneinander. So wird die Zeile „Yakalarsak ...“ (Wenn wir dich kriegen ...) aus einem Lied von Tarkan um „ak“ erweitert und enthält in dieser „Vervollständigung“ neben dem Klicken des Fotoapparats auch eine obszöne Bedeutung. Doch ansonsten ist Paparrazi halb so wild.

Fündig werden die Fotojäger vor allem bei Familienfeiern und im reichhaltigen türkischen Nachtleben Berlins. Die meisten der Abgelichteten scheinen erfreut über so viel Aufmerksamkeit zu sein. In einer Zeitung abgebildet zu sein schafft scheinbare Prominenz und hebt offensichtlich das Selbstbewußtsein. Und so greift man gern nach dem Blatt, in der Hoffnung, sich selbst, einen Freund, einen Nachbarn oder nahen Bekannten im Bild und ohne Worte zu entdecken. Es bleibt ein Geheimnis der Herausgeber, wie viele Fotos wohlweislich nicht abgedruckt wurden.

Besonders gern lichtet Paparazzi die Gäste der Bars, Diskos und Festsäle ab, deren Inhaber eine Anzeige im Heft schaltet. Ist das nicht möglich, wird dem Werbekunden, einige Seiten getrennt von seiner Anzeige, auch ein nett geschriebener Artikel gewidmet. Trotz Bildern und Anzeigenflut läßt sich eine Themenstruktur im Heft erkennen, wobei das Wort „Paparazzi“ Pate steht: Spor-razzi (Sport), Dedikodu-razzi (Klatsch), Merakli-razzi (Der Neugierige).

Paparazzi – das sind Ata und Sevim Teyze (Tante Sevim), die in Berlin als Inhaber des lokalen TV-Senders BTT bereits Mediengeschichte geschrieben haben. Strickend, vor laufender Kamera unterhielt sich Sevim Teyze damals unendlich lang mit den Zuschauern per Telefonschaltung, heute ein gängiges Format auch im öffentlich-rechtlichen TV.

Diese Verbundenheit mit dem einfachen Volk findet sich auch in ihrem Magazin wieder. Wo sonst werden auf 2 Seiten 54 Fotos von arbeitenden Menschen nebeneinandergereiht, ohne Text? Der Text spielt bei Paparazzi ohnehin eine äußerst untergeordnete Rolle, ganz nach dem Motto „Laßt Bilder sprechen“. Die Bilderflut von Paparazzi erlaubt auch dem Fremden einen Einblick in das Vergnügungsleben und die Familienfeiern seiner türkischen Nachbarn. Auch ein Beitrag zur interkulturellen Verständigung.