Kommentar
: Attacke auf die Arbeitsfreude

■ Beamte antreten, aber pünktlich!

Wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Botschaft verbreitet, ist es diese: Innovation. Mit der Sesselpuperei will er aufräumen, auf daß Deutschland wieder flexibel und leistungsfähig werde. Und nun das: Montag morgens, pünktlich um neun Uhr, sollen alle Regierungspendler aus Bonn in ihren Berliner Büros sitzen und das Stempelkissen anwärmen. Wer später kommt, riskiert ein Disziplinarverfahren. Die Folge für viele: Schon am Sonntag nachmittag geht der Zug, und der Abend daheim ist dahin.

Da freut sich die Stechuhr, und die Kaffeemaschine brodelt ihr fröhliches Lied. Unschwer läßt sich vorstellen, welche Begeisterung herrschen wird am Arbeitsplatz. Der frühe Vogel fängt den Wurm! Bis mittags schon ist ein neues Gesetz formuliert und eine kreative Idee ausgebrütet.

Denkste! Erst mal Zeitung lesen und dem verpaßten Frühstück mit der Liebsten nachtrauern: Morgen ist auch noch ein Tag. Und niemand kann es den BeamtInnen verdenken. Wer Arbeitsfreude und Motivation planmäßig zerstören will, erläßt eine Vorschrift wie diese. Als wenn hochbezahlte Regierungsmanager, denen man ja offensichtlich zutraut, eine komplizierte Gesellschaft mit 80 Millionen Menschen zu steuern, ihre Arbeitszeit nicht selbst einteilen könnten. Als wenn sie nicht in der Lage wären, am Dienstag das nachzuholen, was sie am Wochenanfang nicht erledigen konnten.

Der Verdacht liegt nahe, daß die Beschäftigten nun für das büßen sollen, was ihre Lobby bislang als Vorteile für PendlerInnen herausgeschlagen hat. Bis zu 1.000 Mark monatlich bekommen BeamtInnen als Mietzuschuß vom Staat für ihre neue Zweitwohnung an der Spree. Zu Recht erregen derartige Vergünstigungen Unmut. Mit dem Gespür für Stimmungen exekutiert die Regierung nun ihren Montagmorgenzwang. Und die LeserInnen der Boulevardpresse freuen sich: Auch Abteilungsleiter müssen mal leiden.

Die Diktatur der Pünktlichkeit atmet den Geist der Bürokratie. Wie soll eine derart gegängelte Verwaltung die Wirtschaft modernisieren? Die Flexibilität bleibt auf der Strecke, um vier Uhr nachmittags fällt der Griffel, und weitere Anrufe verfangen sich in der Warteschleife. Hannes Koch