Kriegskredit für Fischer

■  Koalitionskrise abgewendet: Grüner Parteitag stimmt für die Fortsetzung der Politik ihres Außenministers. Nato-Luftangriffe werden nicht grundsätzlich abgelehnt, sollen aber unterbrochen werden

Berlin/Bielefeld (taz) – Die Grünen haben ihren innerparteilichen Frieden gewahrt, Joschka Fischer bleibt Außenminister, die rot-grüne Koalition ist gerettet, und der Krieg im Kosovo geht weiter. Das sind die Ergebnisse des wichtigsten Parteitages in der Geschichte der Grünen. Nach einem nervenaufreibenden Tag voller Emotionen stimmte mit 444 Delegierten eine deutliche Mehrheit am Abend in Bielefeld für einen Antrag des Bundesvorstandes der Partei. In diesem wird eine einseitige, zeitlich befristete Unterbrechung der Nato-Luftangriffe gefordert. Ziel ist es, den Beginn des Rückzugs der serbischen Einheiten aus dem Kosovo und einen sofortigen Waffenstillstand aller Seiten zu erreichen. Gleichzeitig unterstützt der Bundesvorstand den sogenannten Fischer-Friedensplan. Auf dem Parteitag sind insgesamt 12 Anträge zur Abstimmung gestellt worden. In der Schlußrunde unterlag mit 318 Stimmen eine Gruppe um den Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele, die ein sofortiges, bedingsloses Ende der Nato-Bombardierungen gefordert hatte.

Noch nie in ihrer zwanzigjährigen Geschichte ist ein Parteitag der Bündnisgrünen von derartigen Turbulenzen begleitet gewesen wie gestern in Bielefeld: ein Außenminister, der sich nach einer Farbbeutelattacke mit einem geplatzten Trommelfell ärztlich behandeln lassen mußte, Delegierte, die sich nur mit Hilfe der Polizei den Eingang zur Versammlungshalle verschaffen konnten, ein Polizeieinsatz gegen autonome und serbische Demonstranten, heftige Wortgefechte zwischen Parteimitgliedern. Erst mit fast eineinhalbstündiger Verspätung konnte der Sonderparteitag zum Kosovo-Krieg beginnen. Zuvor war es Demonstranten aus der linksradikalen Szene sowie serbischen Nationalisten gelungen, die Polizeikette zu durchbrechen und die Eingangstüren zu blockieren. 60 Demonstranten wurden zeitweise von der Polizei festgenommen, die mit rund 400 Beamten vor der Seidenstickerhalle präsent war.

Vor Beginn seiner Rede wurde Joschka Fischer mit einem Farbbeutel beworfen, der ihn am Kopf traf. Trotz Schmerzen – anschließend wurde in einem Krankenhaus ein geplatztes Trommelfell im rechten Ohr diagnostiziert – hielt Fischer eine 20minütige Rede, in der er mit den Befürwortern eines Angriffsstopps hart ins Gericht ging. „Ich werde das nicht umsetzen, wenn ihr das beschließt“, rief Fischer den 800 Delegierten zu. In seiner emotionalen Rede, während der er von einem Ring von Sicherheitsbeamten geschützt wurde, erwähnte Fischer keinen Rücktritt für den Fall, daß sein Kurs unterliegen würde. Der Bundesaußenminister betonte, er habe alles getan, um eine Konfrontation auf dem Balkan zu vermeiden. Nach seiner Rede spendeten ihm seine Anhänger minutenlang stehend Applaus.

Die Parteilinken Annelie Buntenbach und Christian Ströbele sowie Vertreter des pazifistischen Flügels um den Hamburger Ulrich Cremer, aber auch die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn verlangten in ihren Reden ein sofortiges Ende der Luftangriffe und eine Rückkehr zu Verhandlungen. Die größte Unterstützung erhielt Joschka Fischer von seinem alten Weggefährten Daniel Cohn-Bendit, dem Europa-Spitzenkandidaten der französischen Grünen, sowie von Ludger Volmer, dem Staatsminister im Auswärtigen Amt. Cohn-Bendit forderte seine Partei auf, den Kurs Fischers zu stützen, weil dieser einen diplomatischen Ausweg aus dem Krieg versuche. Wer einen sofortigen Waffenstopp verlange, stütze den Kurs der Nato. „Und Miloevic freut sich“, rief Cohn-Bendit den zum Teil erregten Delegierten zu.

Die SPD begrüßte den Kosovo-Beschluß der Grünen. „Das Ergebnis unterstützt die Bundesregierung in ihrem Bemühen, eine politische Lösung des Konflikts zu erreichen“, sagte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck. Jens König/Severin Weiland