Zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Ein giftiger Krieg

■  Interner Bericht des Umweltbundesamts: Nato-Angriffe gefährden Umwelt in Jugoslawien. Katastrophen „wie Seveso oder Sandoz seien wahrscheinliche Szenarien“. UN-Konferenz findet bisher keine größeren Umweltschäden

Bonn/Berlin (taz) – Durch den Krieg drohen den Menschen und der Umwelt in Jugoslawien und den Nachbarstaaten langfristige Schäden. Denn von den Angriffen der Nato auf Industrieanlagen gehe eine „weit über das Kriegsende hinausreichende Gefährdung der Menschen in der betroffenen Region“ aus. Das schreibt das Umweltbundesamt (UBA) in einem internen Bericht an das Bundesumweltministerium. Das Papier mit dem Titel „Erste Einschätzungen der ökologischen Auswirkungen des Krieges in Jugoslawien“, das der taz vorliegt, wurde als Vermerk für den grünen Umweltminister Jürgen Trittin Anfang Mai erstellt, bestätigte gestern sein Sprecher Michael Schroeren. Trittin habe die Einschätzung für die Vorbereitung des EU-Umweltrates in Weimar vom 7. bis 9.Mai vom UBA angefordert.

Die Experten des Berliner Amtes weisen in dem Schreiben ausdrücklich darauf hin, daß abschließende Urteile ohne die „exakte Kenntnis der Details“ nur schwer möglich seien. Dennoch geht das UBA aber davon aus, daß „Katastrophen wie Seveso und Sandoz ein durchaus wahrscheinliches Schadensszenario“ darstellten. Im italienischen Seveso waren 1976 Hunderte von Menschen mit Dioxin vergiftet worden, nach einem Störfall bei der Basler Chemiefirma Sandoz (heute: Novartis) wurde 1986 der Rhein auf einer Länge von 400 Kilometern verseucht.

Weiter warnt das UBA-Papier, die Nato-Angriffe bedrohten die Trinkwasserversorgung der Großstädte und gefährdeten durch giftigen Rauch aus brennenden Chemieanlagen auch die angrenzenden Regionen. Wenn eine Sanierung der ökologischen Schäden nicht schnell erfolge, „muß darauf hingewiesen werden, daß eine zivile Nutzung dieser Regionen wegen der Kontaminationen von Boden, Grund- und Oberflächenwasser nicht möglich sein wird“. Die EU-Umweltminister haben das Thema wieder auf die Tagesordnung für ihr nächstes Treffen Anfang Juni in Luxemburg gesetzt, hieß es aus dem Umweltministerium.

Eine internationale Expertenkommission unter UN-Initiative hat gestern erklärt, die Bombenangriffe der Nato hätten bisher „keine größeren“ Umweltschäden auf dem Balkan angerichtet. Nach Berichten von Anrainerstaaten, der Weltbank und dem Umweltverband WWF seien bislang „keine größeren Verseuchungen der Donau oder andere Umweltschäden zu erkennen“. Damit widersprachen sie der jugoslawischen Regierung, die der Nato vorgeworfen hatte, eine Umweltkatastrophe zu verursachen. Bettina Gaus, Bernhard Pötter‚/B‘  Seite 4