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Willkommen im Kunstloch!  ■ Von Petra Welzel

Grill, Fleisch, Weißbrot und Bier, der Galerist im aufgeknöpften weißen Hemd und knallroten Hosenträgern – Bruno Brunnet, einst erfolgreicher Kunstmanager im Rheinland, hat am vergangenen Sonnabend auf dem Berliner Galerienrundgang den Bock abgeschossen. Was haben die Kritiker nicht alle geschrien in den letzten zwei Jahren, in Mitte würde die Kunst wie auf dem Grabbeltisch im Schlußverkauf verhökert. Vom Abgesang der Qualität, der Ideen, der Innovationen und Bedeutung der Kunst war die Rede. Und von Kommerzialisierung und Eventhascherei.

In Mitte hatten sich nämlich nach dem Fall der Mauer viele neue und alte Galerien in den abgewrackten Häusern der Auguststraße niedergelassen und mit den Jahren den etablierten Kunstsalons in Charlottenburg den Rang und die Käufer abgelaufen. Dort startete einst auch Bruno Brunnet mit seiner Fine Arts Galerie, ausgerechnet in einem Hinterhaus der Fußgängerschnäppchenmeile Wilmersdorfer Straße, wo gediegene Charlottendörfler gewöhnlich hauptsächlich Unterhosen im praktischen Mehrfachpack zu kaufen pflegen. Über Moabiter Umwege zog er dann schließlich vor etwa zwei Jahren samt seiner Kunstpferde in einen schönen neuen Stall in die Sophien-Gips-Höfe in Mitte. In einem Radius von ungefähr einen Kilometer um die Augusstraße hatten sich locker 30 Galerien eingerichtet, heute dürften es annähernd 50 realexistierende sein, nachdem legendäre Schauräume wie die „allgirls“ in der Kleinen Hamburger Straße längst die Segel streichen und dem Strandkorb weichen mußten. Diejenigen, die damals zu Hunderten kamen, um auf einem Video zu betrachten, wie aus einem Haufen Kacke eine veritable Geburtstagstorte gebacken wurde, trinken hier jetzt ihren Milchkaffee. Die Kunst zu leben, so einfach ist das eben.

Und nun das: Selbst Bruno Brunnet winkte seinerzeit müde ab, wenn alle sechs Wochen jeweils Samstag Kunsttourismus in Mitte angesagt war. Nach neuen Galerieräumen wollte er sich schon wieder umsehen, denn ernsthafte Interessenten waren unter den Tausenden Kunstdaypakkern die Ausnahme. Und jetzt, nachdem der Galerienverbund die Rundgänge auf vier im Jahr reduzierte, herrscht Flaute.

Die Hitze vom Wochenende, die die Berliner ans Wasser trieb und die Touristen wer weiß wohin, kann's nicht gewesen sein, auch wenn Lutz Fiebig in seinem neuen, transparenten Beton-Stahl-Glas-Konstrukt in den Hackeschen Höfen darauf bestand, am letzten verregneten Sonnabend 4.000 Besucher gezählt zu haben. Die Lokale in Mitte erfreuten sich jedenfalls voller Tische und Gläser.

Für Bruno Brunnet war die Sache ganz klar: „Willkommen im Sommerloch“, begrüßte er die kleckerweise vorbeischauenden, unermüdlichen Kunstfreaks mit glasigen Augen vor der Tür, während von drinnen Blumenfeld schallte. Und die comicartigen Bilder von Sean Landers waren irgendwie auch sehr ansprechend, daß man sogar danach zu fragen wagte, was denn eine der kleinen Gouachen von Zwittern aus Mensch und Tier so kostet. „2.500 US-Dollar. Das ist der Krieg, der treibt die Preise hoch.“ Nun aber leider auch die Käufer davon. Der Künstler Mark Albrecht verteilte einige Meter weiter auf der Auguststraße hingegen kostenlos Flugblätter unter dem Motto „Wieder verbotene Kunst in Deutschland“. Laut Landgericht Berlin darf er sich weder ALDI schreiben noch nennen. Schade, das hätte einen Preiskrieg gegeben.