Die Ankündigungskommissare

Groß sind die Versprechungen der EU an die Krisenregionen auf dem Balkan. Schon nach dem Bosnienkrieg versprach man viel. Eingelöst wurde fast nichts    ■ Von Uwe Pollmann

Da kommen sie nun, die großen EU-Angebote für das Kosovo und für die ganze Balkanregion für die Zeit nach Kriegsende: Aufbauprogramme, Marshallplan, ja sogar eine Option für eine Integration und Heranführung an die Europäische Union. Noch vor zwei Jahren wurde eine solche Möglichkeit als absurd zurückgewiesen.

Was aber ist überhaupt von solchen Zusagen zu halten? Das Beispiel Bosnien bietet da reichhaltige Erfahrung, was von solchen Hilfszusagen konkret zu erwarten ist: „Ongoing“ lautet die vieldeutige Angabe zu vielen Unterlagen über aktuelle Projekte in Bosnien-Herzegowina – es läuft weiter. Salomonisch kaschiert das die wahre Lage in dem noch immer unsicheren Land.

Mit einer Unzahl von Projekten suggerierten zahlreiche Geldgeber in den Jahren seit Kriegsende, dem zerrütteten Land werde schnell und unbürokratisch geholfen. Die EU stellte immer wieder dreistellige Millionenbeträge in Aussicht, die sich allmählich zu Milliarden summierten. Die Bonner Regierung legte noch manches nach, und auch die Bundesländer wollten nicht kleinlich sein.

Aber die Fakten zeigen, viele der zugesagten EU-Gelder flossen gar nicht oder nur schleppend. Die behäbige Brüsseler Bürokratie vertrödelte drei wichtige Aufbaujahre in dem noch zerstrittenen Bosnien. Erst nach erheblichem Krach fließen nun ganz allmählich die versprochenen Gelder. Während Brüssel essentielle Fortschritte aufhielt, legitimierten die medienwirksamen Hilfsankündigungen vor der deutschen Bevölkerung die Rückkehr eines Großteils der bosnischen Flüchtlinge. Manche Bundesländer setzten noch eins drauf: Nordrhein-Westfalen schuf mit großer Medienresonanz ein Landesprogramm zur Förderung offzieller Kontakte zwischen bosnischen und deutschen Kommunen. Es sollte hiesige Gemeinden bei ihrer Aufbauarbeit in Bosnien unterstützen. Allein der Erfolg blieb weitgehend aus, weil das Programm von den Kommunen einen Eigenanteil von 30 Prozent verlangte, was diese nur in seltenen Fälen aufbringen konnten.

Natürlich gibt es auch immer wieder erfolgreiche Programme. Oft sind es jene, in denen Helfer verschiedener Organisationen vorhandene Ansätze vor Ort aufgreifen und sich anbahnende Versöhnungsprozesse zwischen Kroaten, Muslimen und Serben unbürokratisch und schnell unterstützen. In manchen Fällen konnten so in kleine Dörfer der bosnischen Serbenrepublik Minderheiten zurückkehren. „Das sind kleine Schritte“, sagt Klaus Mock von der Hilfsorganisation Help. „Immerhin hoffnungsfrohe Ansätze für die weitere Arbeit.“

Nur spricht das keinesfalls für eine nach dem Dayton-Vertrag längst fällige „Minderheitenrückkehr“. Die gibt es kaum. Etwa 750.000 interne Vertriebene und zusätzlich nahezu 22.000 Kosovo-Flüchtlinge muß Bosnien mittlerweile verkraften. „Für sie gibt es keinen Wohnraum, kaum Registrierung, und Arbeit ist auch nicht zu finden“, sagt Jörg Kaiser von der Caritas- und Diakonie-Stelle in Sarajevo. Und Klaus Mock warnt angesichts der wieder anlaufenden Rückkehrwelle: „Die Rückkehrer sind die allerletzten, die in Bosnien einen Job bekommen.“ Auch der Bosnien-Beauftragte der Bundesregierung, Hans Koschnick, hat den hiesigen Innenministern angesichts der kritischen Lage ins Gewissen geredet: Haltet euch zurück mit allzu starkem Druck auf die bosnischen Flüchtlinge.

Die Knackpunkte der vertrackten Situation sind eigentlich längst klar: In der muslimisch-kroatischen Föderation drängen sich auf engstem Raum zu viele Vertriebene aus der Republika Srpska. In ihre Häuser können sie nicht, weil dort oft vertriebene Serben aus Kroatien leben, die aber der kroatische Regierungschef Tudjman nicht mehr aufnehmen will, was die internationale Gemeinschaft stillschweigend duldet. Erst wenn die westlichen Politiker gegenüber solchen Auswüchsen kroatischen Nationalismus unnachgiebig verfahren werden, können auch Reformen für die desolate Wirtschaft im Lande greifen. Erst damit wird sich auch die Bereitschaft auf allen Seiten erhöhen, Probleme endlich gemeinsam anzupacken.