„Für den Champagner ist es jetzt noch viel zu früh“

■ In den USA und in Großbritannien sieht man die Friedenschancen noch sehr skeptisch

Milosevics Einlenken sei „erfreulich“, aber „Vorsicht bleibt geboten“, sagte Präsident Clinton, der am Donnerstag nachmittag für eine kurze Erklärung vor die Kameras trat, um anschließend ohne Fragen zu beantworten wieder im Weißen Haus zu verschwinden. Der Sprecher des State Department, James Rubin, äußerte sich ähnlich skeptisch: „Dies ist nicht der Zeitpunkt, Sektkorken knallen zu lassen,“ sagte er. Seine Chefin, Madeleine Albright, die eine geplante Reise nach Mexiko abbrach, bestätigte ihren Pressesprecher: „Für den Champagner ist es noch zu früh.“

Die Reaktionen der Clinton-Regierung auf die Nachricht, daß Slobodan Milosevic die Bedingungen für ein Ende des Krieges um das Kosovo akzeptiert hat, sind gleichermaßen vorsichtig und ungläubig. Sollte die Strategie der Nato tatsächlich Erfolg gehabt haben? „Es hat den Anschein, daß wir tatsächlich unsere Ziele am Boden aus der Luft erreicht haben, und das bei erstaunlich wenig Opfern“, sagte Joseph Lieberman, der Senator aus Connecticut, der zu Clintons Partei und zugleich zu seinen Kritikern gehört.

Doch die Opposition ist mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Jesse Helms, der Republikanische Vorsitzende des außenpolitischen Senatsausschusses sieht die Ziele der US-amerikanischen Balkanpolitik erst erreicht, wenn Milosevic irgendwo außerhalb Jugoslawiens ins Exil geht. Dan Quayle, ehemaliger Vizepräsident Bushs undAnwärter auf eine Präsidentschaftskandidatur, meint, Clinton sei zum Frieden nur bereit, weil sein Ansehen in den Meinungsumfragen sinke.

Auch in Großbritannien ist man noch skeptisch: Die Times erklärte Tony Blair zwar gestern zum Kriegsgewinner, doch dieser meinte, es sei noch zu früh, von einem Sieg auf dem Balkan zu sprechen. Erst wenn Milosevic den „belegbaren Rückzug“ aus dem Kosovo angeordnet habe, könne die Nato ein Ende der Bombardierung in Erwägung ziehen. Der britische Premierminister, dem der Guardian gestern bescheinigte, der „kriegfreudigste Nato-Führer während des 72tägigen Konflikts“ gewesen zu sein, sagte, Milosevics Worten müssen nun Taten folgen.

Das Londoner Außenministerium erklärte, es sei in Milosevics Interesse, seine Truppen so schnell wie möglich zurückzuziehen, „weil die Bombardierung bis dahin weitergeht, und das serbische Volk würde sich fragen, was eigentlich vorgeht“. Tory-Chef William Hague, der die Nato-Angrife unterstützt hatte, sagte: „Wir müssen mit dem Feiern warten, bis wir sehen, was passiert.“ Paddy Ashdown, Chef der Liberaldemokraten, meinte, „die Flüchtlinge werden mit den Füßen abstimmen, ob die Vorschläge annehmbar sind.“

Peter Tautfest, Washington

Ralf Sotscheck, Dublin