„So schön“

■  Für Wim Wenders spricht die Musik des „Buena Vista Social Club“ für sich selbst

taz: In Frankreich wurde Ihr Film sehr positiv aufgenommen, in Deutschland dagegen weniger. Wie erklären Sie sich das?

Wim Wenders: Man muß diesen Film ziemlich primär sehen, wie man auch diese Musik ganz primär aus dem Bauch heraus hören muß und sie einen dann nicht mehr losläßt. Eine Musik von unglaublicher Lebensfreude, auch großer Melancholie, aber keiner Melancholie, die einen fallenläßt, sondern die einen erfüllt. An der Lebensfreude dieser Musik gibt es nichts zu rütteln, und mehr will der Film auch gar nicht erzählen.

Ein Problem der Kritiker?

Das wollte ich damit durch die Blume sagen. Jeder Dokumentarfilm hat natürlich etwas Fragiles, weil man als Autor verschwindet. Meine anderen dokumentarischen Filme habe ich nie Dokumentarfilme genannt, sondern immer Tagebücher – weil sie extrem subjektiv waren. Der neue Film ist das weniger. Ich habe versucht, ein Dokument dieser Stadt, dieser Musik, dieser Leute herzustellen, ohne meine Erzählstimme zu benutzen. Ich fand die Musik so schön, die muß für sich sprechen.

Sie haben vor allem mit einer Steadycam gedreht, die zeitweise ziemlich herumwackelt. War das Absicht?

Ich wollte diesen Film nicht vom Stativ drehen, auch nicht mit der Handkamera, weil das dem Rhythmus dieser Musik nicht entsprochen hätte. Das Drehbuch war die Musik. Es ging einfach darum, der Musik nahe zu sein und beweglich zu bleiben.

Wie bewerten Sie Ry Cooders Rolle bei den Aufnahmen?

Wenn man sich diese Musik anhört ohne Rys Gitarre und ohne sein Arrangement, dann ist ganz plötzlich so ein Glanz weg und so eine Transparenz. Dann ist das schöne, aber konventionelle lateinamerikanische Musik. Ry hat eine Luftigkeit reingebracht, eine Durchsichtigkeit, sowohl mit seiner akustischen Gitarre als auch mit der Zugabe einiger Percussion-Instrumente, die sonst so nicht vorkommen. Er hat das insgesamt erst zum Strahlen gebracht.

Sie haben einmal gesagt, im Laufe des Drehens seien Ihnen die Personen immer fiktiver vorgekommen. Wie meinen Sie das?

Vielleicht ist das auch durch das Reisen entstanden. Wir saßen ja mit unseren Darstellern aus Havanna erst in Amsterdam und wenige Monate später in New York. Dieser Weg war ein immenser, für die Musiker eine Reise aus dem absoluten Vergessensein auf eine Bühne wie die der Carnegie Hall. Das war für sie die Reise des Lebens. So langsam sind diese Figuren, deren Biographien man kannte, auch ihre Charaktereigenschaften und ihren Humor, fiktiv geworden – der kleine Pio Leva mit seiner dicken Zigarre und seinem schwarzen Bart hatte nur Blödsinn im Kopf. Am Ende war er für mich bigger than life, eine Art Groucho-Marx-Darsteller. Und Ibrahim Ferrer war für mich ein kubanischer Cary Grant. Die haben alle so eine Art mythischen Status bekommen für uns im Laufe des Drehens. Interview: Werner Bloch