Ethisch unvertretbar

■ Anzeige gegen Amtsärztin, die der Abschiebung einer Kranken zustimmte

Seit gestern ist es geltendes Recht. In standesgemäß verwickelten Sätzen, aber dennoch deutlich steht auf Seite 1659 des neuen Deutschen Ärzteblattes, was die MedizinerInnen jüngst zum Thema Abschiebung beschlossen haben: „Abschiebehilfe in Form von (...) Ausstellung einer Reisefähigkeitsbescheinigung unter Mißachtung fachärztlich festgestellter Abschiebehindernisse sind nicht mit den in der ärztlichen Berufsordnung festgeschriebenen ethischen Grundsätzen vereinbar.“

Das reicht, um Anzeige gegen eine Hamburger Amtsärztin zu erstatten, die vor einer Woche der Abschiebung einer depressiven und selbstmordgefährdeten Kurdin zugestimmt hat, findet Klaus Weber, Beauftragter für die gesundheitlichen Belange der MigrantInnen in der Ärztekammer: „Es ist zu prüfen, ob die betreffende Ärztin gegen Berufsrecht verstoßen hat.“

Zwar war die Entschließung noch nicht offiziell in Kraft getreten, als die Kurdin Nikar Selcuk am Donnerstag vor einer Woche in die Türkei geflogen wurde (taz berichtete). „Sie war Medizinern aber zugänglich“, argumentiert Weber. Auch wenn seine Klage keinen Erfolg haben sollte, sei es wichtig, ein Zeichen zu setzen gegen die Beteiligung von ÄrztInnen an der verschärften Hamburger Abschiebepolitik der vergangenen Wochen.

Die Ausländerbehörde arbeitet „an einer lückenlosen Abschiebemaschinerie“, befürchtet Susanne Uhl, Sprecherin der Bürgerschaftsgruppe Regenbogen. Die MigrantInnen würden teilweise im Morgengrauen aus dem Schlaf gerissen und in Handschellen zum Flughafen gebracht – „man hat nicht den Eindruck, daß das noch mit dem Grundgesetz vereinbar ist“. Die Flüchtlingsinitiative Fluchtpunkt läßt derzeit prüfen, ob es möglich ist, Strafanzeige gegen ÄrztInnen oder die Behörde zu erstatten. juw