Havanna läßt grüßen – Berlin droht Stromausfall

■ Freier Wettbewerb auf dem Strommarkt ist technisch möglich, allerdings sieht das Berlins Strommonopolist Bewag anders. Morgen verhandelt das Bundeskartellamt den Stromfall

Der Berliner Energieversorger Bewag droht mit dem Havanna-Syndrom: Stromausfall, Dunkelheit. Nichts geht mehr. In der kubanischen Hauptstadt gingen 1994 periodisch die Lichter aus, weil dem System der Brennstoff fehlte. Zum Black-out werde es auch im kühleren Norden unweigerlich kommen, wenn der Berliner Monopolist sein Leitungsnetz für die Konkurrenz öffnen müsse, warnte der Hauptstadt-Strommonopolist Bewag gestern. Zwei Professoren der Gesamthochschule Duisburg und der Technischen Universität Berlin waren bereit, dem Unternehmen dergestalt mit gutachterlichen Argumenten gegen die böse Liberalisierung zu helfen.

Gestern nun präsentierte die Bewag die beiden Gutachten – rechtzeitig zur morgigen Verhandlung beim Bundeskartellamt. Die Behörde, die dem freien Wettbewerb zum Durchbruch verhelfen soll, berät darüber, ob der Berliner Energieversorger sein Netz für zusätzliche Stromanbieter sperren darf oder es ihnen zur Verfügung stellen muß. So will Energie Baden-Württemberg das Abgeordnetenhaus versorgen und RWE unter anderem das Mercedes-Werk in Marienfelde. Die Bewag aber weigert sich standfest, mehr Strom ins Netz der Hauptstadt hereinzulassen als bisher.

Die Argumente dafür wechseln freilich. Manchmal beruft sich die Bewag auf den gesetzlich garantierten Schutz für ökologisch hochentwickelte Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung, dann wieder heißt es, die einzige 380-Kilovolt-Leitung von Berlin gen Westen sei weiterem Stromtransport nicht gewachsen. Derzeit müssen zusätzlich die hiesigen Kraftwerke als Begründung herhalten.

Die Gutachter argumentieren folgendermaßen: Für Strom, der von außen komme, müsse die Bewag Ersatzkapazitäten in ihren Kraftwerken bereithalten – falls der Stromimport mal ausfalle. Ersatz könne gegenwärtig aber nur für etwa 400 Megawatt elektrischer Leistung garantiert werden, mehr könnten die Anlagen im Notfall nicht liefern. Falls man mehr Fremdstrom hereinlasse, sei bei dessen Ausbleiben deshalb der Kollaps der Versorgung und anschließende Dunkelheit in ganzen Bezirken vorhersehbar. Leider, leider aber, so der Bewag-Vorstand, lasse sich dieser Zustand frühestens zu Beginn des Jahres 2000 abstellen. Dann gehe eine neue Verbundleitung rüber in den Westen in Betrieb, über die im Notfall mehr Notstrom zur Verfügung stehe.

Ergo: Die Öffnung und Liberalisierung des Berliner Strommarktes sei technisch tatsächlich erst in anderthalb Jahren möglich. Bis dahin soll, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ausschließlich die Bewag liefern und kassieren dürfen. Denkt sich jedenfalls die Bewag so.

Würde sich das Bundeskartellamt dieser Ansicht anschließen, hätte dann zum Beispiel Energie Baden-Württemberg vorläufig das Nachsehen. Deren Energie könnte das Abgeordnetenhaus erst mal nicht erreichen – Vertrag hin oder her.

Das Kartellamt steht erfahrungsgemäß Einwänden wie denen, die die Bewag vorbringt, grundsätzlich kritisch gegenüber. Einmal bereits haben die WettbewerbschützerInnen einen Energieversorger, die nordrhein-westfälische Hagener Elektromark AG, verdonnert, ihre Leitungen zu öffnen.

Andererseits unterscheidet sich das Berliner Versorgungsgebiet aufgrund seiner früheren Insellage tatsächlich von anderen Kommunen. Abgesehen davon wird sich das Kartellamt voraussichtlich nach seiner mündlichen Verhandlung am Mittwoch noch einige Zeit lassen, bis es seinen Beschluß verkündet. Hannes Koch