„Keine freie und faire Abstimmung“

■ In Ost-Timor kann die UNO wenig zur Entspannung beitragen

Dili (taz) – Der indonesische Kommandeur wirkt freundlich. Der von Jakarta ernannte Offizier hat in einem Bergdorf südlich der Hauptstadt Dili eine Demonstration Hunderter Menschen organisiert. Er will sicherstellen, daß die Dorfbewohner bei der für den 8. August geplanten Abstimmung über Ost-Timors Zukunft die „richtige“ Wahl treffen – für die Autonomie und nicht die Unabhängigkeit. Dankbar nahm er den Brief der Dorfbewohner an, der die Autonomie unterstützt. Er übersetzte gar für die anwesenden UN-Vertreter und Journalisten.

Aber die Demonstration war nicht entspannt. Dorfbewohner berichteten, daß sie von bewaffneten Milizen zur Teilnahme gezwungen wurden, die für den Verbleib Ost-Timors bei Indonesien kämpfen. „Ich habe Angst, daß sie uns angreifen, wenn wir nicht machen, was sie wollen“, sagte ein Mann, der schon mehrfach von den Milizen belästigt worden war.

Seine Angst war berechtigt. Am Abend darauf wurden Häuser in Brand gesteckt, Schüsse fielen. Der Priester sagte, es sei die Rache der Milizen und Soldaten, weil sie bei der Demonstration ihr Gesicht verloren hätten. Denn nach einem alten Brauch sollte ein Schwur auf die Autonomie ablegt werden, doch wegen der UN-Beobachter sei die Zeremonie ausgefallen.

Ähnliche Übergriffe ereignen sich auch an anderen Orten. Die Uno kann wenig dagegen tun. Nach dem Abkommen mit Indonesien und der früheren Kolonialmacht Portugal ist die Polizei für Sicherheit und Ordnung sowie die Kontrolle der Milizen verantwortlich. Es gibt keine UN-Friedenstruppen, sondern nur Beobachter.

Die UNO kann die geplante Abstimmung nur verschieben und hoffen, so für mehr Sicherheit zu sorgen. Eine Verschiebung um drei Wochen ist wahrscheinlich. UN-Generalsekretär Kofi Annan wird bald darüber entscheiden. Derweil versuchen die UN-Vertreter, sich vor Ort bemerkbar zu machen. Jeden Tag kommen Hunderte Menschen zur ehemaligen Schule am Stadtrand von Dili, in der die UN-Mission für Ost-Timor (Unamet) ihr Hauptquartier hat. Einige fragen nach Arbeit, andere sind bloß neugierig. Die UN-Vertreter, von denen bisher 150 vor Ort sind, beschwerte sich bei der Polizei wegen der Demonstration in dem Dorf wie seit ihrer Ankunft im Mai bereits in Hunderten anderer Fälle. Lokale Menschenrechtsgruppen und Kirchenvertreter machen das Militär für Jahre des Mordens und andere Greuel in Ost-Timor verantwortlich. Dabei ist das Verhalten der Milizen, Soldaten und Polizisten kaum zu unterscheiden. Die Milizen behaupten, sie würden nur Dörfer gegen die Separatisten verteidigen. Von solchen Angriffen ist aber kaum zu hören.

Die UNO hat in Ost-Timor regionale Büros eröffnet. Es gibt Informationskampagnen im Radio und den Zeitungen. Die ersten 41 von 280 zivilen UN-Polizeiberatern sind am Montag angekommen. Die Unabhängigkeit unterstützende Gruppen halten die anvisierte Zahl von 1.000 UN-Mitarbeitern plus 4.000 lokalen Angestellten für zu gering, um die Gewalt zu beenden. Seit April wurden Dutzende Ost-Timoresen von den Milizen getötet. Seit die UNO in Dili ist, wurde es etwas ruhiger. Unamet hofft, daß die friedliche Stimmung sich ausbreitet. „Die gegenwärtige Sicherheitssituation erlaubt keine freie und faire Abstimmung,“ sagt Unamet-Chef Ian Martin. „Es ist nötig, daß sich hier schnell etwas ändert.“ Hugh Williamson