Unterhaltung vom Mischkonzern

■ Wird die französische Vivendi-Gruppe das Konzept der Mediathek verwässern?

Das Motto des 27. Kultursalons der Grünen hätte trefflicher kaum ausfallen können. Mit „Totgesagte leben länger“ war niemand anderes als die fast schon zu Grabe getragene Deutsche Mediathek gemeint. Das projektierte Museum für Fernseh- und Radioprogrammgeschichte hatte lange unter keinem guten Stern gestanden. Ihm waren zuerst die Räumlichkeiten im Sony-Filmhaus am Potsdamer Platz entzogen, dann der Gründungsetat zusammengestrichen worden. Die Deutsche Kinemathek hatte währenddessen ein Alternativkonzept unter ihrem eigenen Dach ersonnen.

Wenige Tage vor der feierlichen Präsentation des Filmhauses Anfang Juni tat sich für die Mediathek ein neuer Potentat auf. Der französische Wasserkonzern Vivendi, ein Mischkonzern mit vielfältigen Aktivitäten im Mediengeschäft (Canal Plus, AOL Frankreich, Studio Babelsberg), bot sich an, vierzig Prozent der jährlichen Finanzierung – 3,2 von insgesamt 8 Millionen Mark – zu übernehmen. Im Gegenzug wird erwartet, daß Vivendi den Zuschlag für die Berliner Wasserbetriebe erhält, deren Privatisierung ansteht.

Auch über seine geschäftlichen Motive und Absichten in Sachen Mediathek ließ Vivendi auf der Veranstaltung wenig Fragen offen. Friedrich-Carl Wachs, Geschäftsführer der Studio Babelsberg GmbH, visiert mittelfristig die Kostendeckung an und wünscht sich eine Revision des Mediathekskonzepts zugunsten einer „breitenattraktiven“ Ausrichtung. Das „nützliche und ehrenwerte Konzept“, wie es der Verein der Deutschen Mediathek um den Gründungsbeauftragten Helmut Drück erarbeitet hat, müsse sich mit dem „Know-how des Babelsberger Entertainment-Unternehmens“ verbinden lassen.

Wer die Diskussionen um die Mediathek und ihre Konzeption als Museum verfolgt hat – Helmut Drück hielt deutlich an ihr fest –, den mußte die Darbietung seltsam anmuten. Moderatorin Alice Ströver meldete gleich Zweifel an der Kommerzialisierbarkeit der Mediathek an. Auch die von Wachs geforderte „optimale Mischung aus Bestand, Archiv und bunt & lustig“ verträgt sich kaum mit der 1985 aus Kreisen der Akademie der Künste entstandenden Idee eines Museums für Fernseh- und Hörfunkgeschichte nach dem Vorbild des New Yorker „Museum for Television & Radio“.

Ein Querschnitt durch fünfzig Jahre Fernseh- und siebzig Jahre Radiogeschichte sollte gesammelt werden, der „Straßenfeger“ neben Anspruchsvollem verfügbar sein. Jetzt droht der Schwerpunkt in Richtung Unterhaltung zu kippen. Steht damit eine Disneyfizierung des Potsdamer Platzes bevor? Zumindest wird einer musealen Konzeption seitens Vivendi wenig Attraktivität beigemessen, dagegen die knallbunte Präsentation wie bei der Oberhausener Fernsehausstellung „Der Traum vom Sehen“ präferiert.

Nichts wäre indessen langweiliger, als neben dem zukünftigen Filmmuseum auch eine Ausstellung zur Fernsehgeschichte vorzufinden. Denn die „Repräsentation des audiovisuellen Gedächtnisses“, wie Friedrich-Carl Wachs die Funktion einer Mediathek richtig beschreibt, findet im Kopf statt und nicht im Schaukasten und auch nicht in interaktiv aufgemotzten Präsentationen.

Helmut Merschmann