Durch romantische Landschaften und brutale Politik

■ Ein spannender Sozialkrimi im Arte-Abend über den Aufbruch in Marokko (21.40 Uhr)

Dreizehn Jahre lang konnte ein Polizeioffizier in Casablanca Frauen vergewaltigen, umbringen und alles auf Video festhalten. Niemand stellte sich in Marokko dem Vertreter des Willkürstaats in den Weg. 1992 kursierten Gerüchte, an der französischen Riviera zirkulierten die Videos. Erst die Schlagzeilen im Ausland ließen den König einschreiten.

Inzwischen ist der Skandal um Mohamed Mustafa Tabit Thema für Popstars und Kabarettisten. Marokko erlebt eine erstaunliche Öffnung, die Arte heute zum Thema eines TV-Abends macht. Neben einem Porträt über vier Marokkanerinnen, die von der politischen Liberalisierung profitierten („Kalima“), und einem Film über das Künstlerleben in der einstigen Hippie-Stadt Essaouira zeigt der Kanal auch den Spielfilm „Mektoub – Das Schicksal“. Dessen Geschichte basiert auf dem realen Politskandal um den Polizeioffizier.

Nabil Ayouch (Jahrgang 1969) hat aus diesem Stoff einen wagemutigen und spannenden Krimi gemacht. 300.000 Marokkaner haben „Mektoub“ gesehen, und der Regisseur gibt zu, daß solch ein Film vor fünf Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Der Film erzählt die Geschichte eines glücklichen Paares, das seinen ersten Hochzeitstag in einem Luxushotel in Tanger feiert. Mit Hilfe eines Netzes von Mitwissern wird die Frau vergewaltigt, während ihr Ehemann mit Magenvergiftung im Bett liegt. Auf der Suche nach den Tätern wird dem Paar alsbald klar, daß das Recht nicht auf seiner Seite steht und der Vergewaltiger in den Reihen der Polizei zu suchen ist. Regisseur Ayouch erzählt die Geschichte von Taoufik und Sophia als ein Krimi-Roadmovie, das durch die schönen Landschaften Marokkos führt wie durch soziale Schlüsselsituationen. Zwar sträubt sich der Regisseur dagegen, daß viele Zuschauer in „Mektoub“ eher einen sozialkritischen Film sehen als einen Krimi. Dabei setzt er klare politische Zeichen: Etwa, wenn er Malika Oufkir die Rolle einer Widerstandskämpferin namens Malika spielen läßt – die Tochter eines Putschisten, die bis 1991 in Sippenhaft gehalten wurde. Sonja Hegasy

Arte-Themenabend „Marokko – ein Land im Aufbruch“: „Kalima, die Stimme der Frauen“ (Doku), 21.40 Uhr; „Künstlerleben in Essaouira“ (Doku), 22.30 Uhr; „Mektoub – Das Schicksal“ (Spielfilm) 23 Uhr