Verbaler Psychokrieg um die Insel Taiwan

Pekings Drohungen gehen weiter, Taiwan gibt sich gelassen, doch es kann eine gewisse Nervosität nicht verbergen  ■   Von Sven Hansen

Berlin (taz) – Im Streit um den Status Taiwans hat die Volksrepublik China am Wochenende mit verbalen Drohungen bis hin zur Ankündigung einer möglichen Militärintervention den Druck auf Taiwan aufrechterhalten. Pekings Hongkonger Sprachrohr, die Zeitung Wen Wei Po, zitierte in ihrer Sonntagsausgabe eine ungenannten General mit den Worten, die Volksrepublik werde den Einsatz von Gewalt zur Lösung des Taiwan-Problems nicht ausschließen, sollte es keine Hoffnung mehr auf eine friedliche Wiedervereinigung geben. Auch Chinas Botschafter in Deutschland, Li Quitian, äußerte sich entsprechend und wiederholte damit die seit Jahren gültige Pekinger Sprachregelung.

Wen Wei Po berichtete am Samstag, Spitzenmilitärs des zuständigen Militärkommandos Nanjing seien in der Taiwan gegenüberliegenden Provinz Fujian eingetroffen. Im Hafen von Quangzhou habe es eine Übung zur schnellen Mobilisierung der Streitkräfte unter Beteiligung von mehr als hundert zivilen Schiffen gegeben. Männer hätten Kampflieder mit Texten wie „Wir müssen Taiwan befreien“ gesungen. Laut Wen Wei Po soll sich das Militär schriftlich an die Führung in Peking gewandt haben, um für großangelegte Manöver vor der Küste Taiwans zu werben. Dies sei nicht nur eine Warnung an Taipeh, sondern auch eine geeignete Demonstration der Stärke vor dem 50. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik am 1. Oktober.

Die unabhängige Hongkonger Zeitung Apple Daily meldete am Samstag unter Berufung auf japanische Militärkreise, zehn chinesische Militärschiffe seien am Donnerstag in der Nähe der Diayou-Inseln gesehen worden und hätten dort offenbar an einem untypischen Manöver teilgenommen. Die Inseln sind zwischen China, Taiwan und Japan umstritten. Die unabhängige Hongkonger Zeitung Ming Pao berichtete, China plane ein Manöver von Heer, Marine und Luftwaffe in der Taiwan-Straße. Darüber müsse aber noch Staats- und Parteichef Jiang Zemin entscheiden, der auch Vorsitzender der Militärkommission ist.

Keiner der Zeitungsberichte wurde offiziell bestätigt. Ein Sprecher des taiwanischen Verteidigungsministeriums sagte, es gebe keine ungewöhnlichen Militärbewegungen in der Region. Ein Regierungssprecher warf Peking vor, Hongkonger Medien zu benutzen, um Druck auf Taiwan auszuüben. Taiwans Regierung selbst veranlaßte ihr nahestehende Fonds, große Aktienpakete zu kaufen, um die Kurse zu stützen. Der Aktienindex in Taipeh hatte vergangene Woche insgesamt über 13 Prozent verloren. Der jüngste Konflikt zwischen Peking und Taiwan begann vor einer Woche, nachdem Taiwans Präsident verbal von der bisherigen Ein-China-Polik abgerückt war.

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