Starb Blockland-Tote an Überdosis?

■ Angehörigen wurde Überdosis als wahrscheinliche Todesursache mitgeteilt / Leichnam zur Bestattung freigegeben / Ehemann kam zu spät, um die Mutter von zwei Kindern auszulösen

Der Leichnam der in der Haftanstalt Blockland vor neun Tagen unter noch nicht geklärten Umständen verstorbenen Frau ist zur Bestattung freigegeben. Er wurde gestern in ein Bremer Bestattungsinstitut überführt, nachdem er zuvor im Rechtsmedizinischen Institut untersucht worden war. Von Angehörigen der 29jährigen Verstorbenen verlautete über Dritte, ihnen sei die Todesursache „höchstwahrscheinlich Überdosis“ mitgeteilt worden.

Die Verstorbene, eine HIV-infizierte Drogenkranke, war am Mittwoch vergangener Woche früh morgens tot in ihrer Zelle aufgefunden worden. Die Frau musste wegen einer Reihe typischer Beschaffungsdelikte 55 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, nachdem sie Arbeitsangebote als Haftersatz nicht wahrgenommen habe. In Unkenntnis ihres Todes soll der Ehemann am Todestag in der JVA erschienen sein, um die 20 Tage Reststrafe der Frau mit Geld abzulösen. Justizangaben zufolge sei die Frau bei Haftantritt haftfähig gewesen, wegen Schmerzen, Fieber und Durchfall aber seit zwei Tagen ärztlich behandelt worden. In der frühen Todesnacht sei ein Arzt gerufen worden, nachdem die Frau offenbar einen akuten Schmerzanfall erlitten hatte. Dieser Mediziner habe die Krankengeschichte der Patientin gekannt und Arznei verordnet. Verschiedenen Quellen zufolge gab es zwischen ihm und Anstaltsbediensteten in der Nacht mehrfach telefonische Kontakte. Gegen sechs Uhr morgens war der Tod der Frau entdeckt worden – die erst nach zwei Uhr in der Nacht ruhig wurde. Man habe angenommen, sie schlafe, heißt es. Eine lebensbedrohliche Situation sei offenbar nicht erkannt worden – Kontrollen direkt am Bett der Kranken durch Bedienstete blieben deshalb aus. Noch 30 Minuten vor Entdecken des Todesfalls war die Gefangene offenbar für schlafend gehalten worden.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft über die Ereignisse in der Nacht dauern unterdessen an. Gegen den Notfall-Arzt sowie eine Anstaltsärztin lautet der Anfangsverdacht auf fahrlässige Tötung, gegen eine JVA-Bedienstete auf unterlassene Hilfeleistung. Gefangene, unter denen viele Gerüchte über die Vorfälle der Nacht kursieren, wurden bereits gehört. „Es herrscht große Verunsicherung unter den Insassinnen“, beschreibt Gwendolin Bergmeier vom Anstaltssbeirat die aktuelle Stimmung. Gerüchte, nach denen die Kranke mehrere Stunden bis nach Mitternacht laut geschrien, gewimmert und Verlegung in ein Krankenhaus gefordert habe, will sie nicht kommentieren. „Wir warten die Ermittlungen und das offizielle Obduktionsergebnis ab“, sagt sie. „Aber wir hätten uns gewünscht, über den Todesfall nicht aus der Presse zu erfahren.“ Um zur Beruhigung unter Gefangenen beizutragen, habe der Beirat die Anstaltsleitung gebeten, die von den Ermittlungen betroffene Ärztin vorläufig zu ersetzen. „Nach meinem Wissen ist das geschehen.“

In der Bremer Staatsanwaltschaft gibt man sich über die Vorgänge in der Todesnacht unterdessen zugeknöpft. „Es liegt noch kein endgültiger Obduktionsbericht vor“, so Sprecherin Ingrid de Boer. Letzte Untersuchungsergebnisse erwarte man kommende Woche. Auch der die Ermittlungen leitende Staatsanwalt Uwe Picard reagiert verärgert auf „reißerische Presseberichte“ und „Gerüchte“, nach denen die kranke Frau als „Simulantin“ nicht ernst genommen worden sei. „Wir ermitteln noch.“

ede