IG Farben entschädigt - Pfennige

Nur Zinsen für die Zwangsarbeiter. Aber der Rechtsnachfolger des Todesgasproduzenten der Nazis hofft weiter auf das große Geld aus der Schweiz    ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) - Hauptversammlung der „IG Farben in Abwicklung“ gestern in Frankfurt. The same procedure as every year? The same procedure as every year. Die gleiche Aktionärsgemeinde aus alten und neuen „Deutschnationalen“ (so die Selbstbeschreibung eines Aktionärs am Saalmikrofon) und geldgierigen Yuppies, die immer noch auf die Vergoldung ihrer Anteilscheine hoffen. Entweder durch die Rückerstattung von Ostvermögen der ehemaligen IG Farben an die IG Farben in Abwicklung. Oder durch die Rückgabe von 4,4 Milliarden Mark (aktuelle Schätzung), die von der IG Farben-Tochter IG Chemie nach Kriegsausbruch „verschweizert“ wurden.

Die Schweizer Bankgesellschaft (SBG) übernahm damals „nur formal“, so drücken sich die Liquidatoren der IG Farben heute aus, die IG Chemie und firmierte das Unternehmen in „Interhandel“ um. Nach Bankenfusionen in der Schweiz gehöre das sogenannte Interhandel-Vermögen heute der Rechtsnachfolgerin der Schweizer Bankgesellschaft, der Großbank UBS AG. Allerdings: Schon 1988 scheiterte die IG Farben in Abwicklung damit, die Milliarden aus der Schweiz zurück in die eigene Kasse fließen zu lassen.

Gestern forderte einer der Liquidatoren der IG Farben in Abwicklung, Volker Pollehn, die Schweiz „nachdrücklich“ auf, endlich alle Archive zu öffnen. Denn nur so könne die IG Farben in Abwicklung ihren „Rechtsanspruch“ auf das „Interhandel-Vermögen“ beweisen – „und zwar gerichtsfest“. Beifall bei den etwa 100 persönlich anwesenden Anteilseignern, die sich bei der Vorstellung, dass der größte Teil der mehr als vier Milliarden – nach der Liquidation der Firma – ihren Konten gutgeschrieben werden würde, die Lippen leckten. Pollehn setzte dann, zur Empörung der kritischen Aktionäre, die Schweiz und die UBS AG auch noch moralisch unter Druck. Aus den 4,4 Milliarden Mark könnten doch auch die noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeiter der IG Farben endlich „ordentlich entschädigt“ werden.

Die IG Farben in Abwicklung wehrt sich bis heute erfolgreich gegen eine „ordentliche Entschädigung“ der Arbeitssklaven des IG-Farben-KZ Auschwitz-Monowitz aus dem eigenen, inzwischen fast vollständig durchgebrachten Vermögen. Eine „Verhöhnung der Opfer“ nannte das Eduard Bernhard vom Dachverband der kritischen Aktionäre.

Auf Vorschlag der Liquidatoren und nach 92,5-prozentiger Zustimmung durch die Anteilseigner wird IG Farben in Abwicklung „ab 2003“ – nach 45 Jahren – einen Fonds zur Entschädigung von ehemaligen Zwangsarbeitern einrichten: mit einem Volumen von drei Millionen Mark. Für Henry Mathews von den Kritischen eine „lächerliche Summe“. Noch lächerlicher wurde die Angelegenheit im Verlauf der Hauptversammlung. Da wurde bekannt, daß nur die Zinsen für die anzulegenden drei Millionen Mark aus dem Fonds für Entschädigungsleistungen verwendet werden sollen. Selbst das war Aktionären aus der ganz rechten Ecke schon zuviel: „Die Juden haben doch schon genug bekommen. Das Geld der IG Farben gehört den deutschen Anteilseignern“, riefen sie. „Nazis raus!“, skandierten da die Kritischen und ehemalige Zwangsarbeiter.