„Transparenz heißt, die Behörde diskutiert“

■ Sozialprojekte protestieren in der BAGS. Amtsleiterin bleibt unbeeindruckt

Bisher hatte die junge Frau im schwarzen Blazer um Fassung gerungen. Jetzt aber springt sie auf, und die Wut lässt ihre Stimme schrill werden: „Sie möchte ich mal sehen, wenn Sie alle zwei Jahre einer neuen Therapeutin erzählen sollen, mit wievielen Freiern Sie geschlafen haben oder wie oft Sie vergewaltigt wurden.“ Das Gesicht der Angesprochenen bleibt unbeweglich. „Kontinuität der Betreuungsverhältnisse heißt nicht automatisch Kontinuität der Betreuungspersonen“, hat Elisabeth Lingner, Leiterin des Amtes für Soziales und Rehabilitation in der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) wenige Minuten zuvor festgestellt.

Die Behörde bekam gestern demonstrativen Besuch von rund 200 MitarbeiterInnen und KlientInnen der Drogenhilfe und anderer Sozialprojekte. Sie protestierten damit gegen die künftige Ausschreibung aller sozialen Projekte, die Zuwendungen von der BAGS erhalten. Vertreten waren neben den Drogenhilfeprojekten Palette, Freiraum und Drob Inn unter anderem auch die Hamburgische Gesellschaft für soziale Psychiatrie und der Verein Jugendhilfe sowie Abgeordnete der Regenbogen-Gruppe.

Ob die ProtestlerInnen bis in amtliche Räume vordringen können, ist zunächst unsicher: Als die Demonstration nach ihrem Zug durch das Einkaufszentrum Hamburger Straße vor der Tür der BAGS ankommt, ist diese verschlossen. „Frau Roth, kommen Sie raus“, rufen die Ausgesperrten. Aber die Sozialsenatorin weilt noch im Urlaub. Statt ihrer empfängt Lingner die Demonstration im Sitzungssaal der BAGS.

Dort heizt sich nicht nur die Raumluft schnell auf. Die MitarbeiterInnen und KlientInnen fordern eine Offenlegung der Vergabekriterien. „Die haben wir mit den Ausschreibungsvorgaben hinreichend erklärt“, kontert Lingner kühl, „transparenter kann man das nicht machen.“ Im übrigen bedeute für sie Transparenz vor allem, „dass die verschiedenen Abteilungen der Behörde diskutieren.“

Auf erregte Zwischenrufe reagiert die Amtsleiterin pikiert. Martin Dreyer, Mitarbeiter der Palette drei, erklärt ihr geduldig, „dass man halt nicht cool bleibt, wenn man seine Kündigung bekommt“. Das sieht Lingner ein. Verunsichern können sie die Einwände nicht. Scharfe Kritik weist sie als „Unterstellung“ zurück. Für die geschilderten Schicksale der DrogenkonsumentInnen äußert sie zwar „Verständnis“, dennoch gebe es „keine Chance, daß das Ausschreibungsverfahren gestoppt oder Entscheidungen rückgängig gemacht werden.“

Damit will sich keine der ProtestlerInnen am Ende der einstündigen Sitzung zufrieden geben. Ulrike Winkelmann von der „Palette zwei“ plant schon beim Hinausgehen: „Dann erhöhen wir eben den Druck.“ Heike Dierbach