„Bitte liefern Sie mir Atomstrom!“

Billiger Strom nun auch für Private möglich  ■   Von Hannes Koch und Constanze Oehlrich

Berlin (taz) – Ist Ihnen der Strom, den Ihr Energieversorger liefert, zu teuer? Wollen Sie mehrere hundert Mark im Jahr sparen? Oder missfällt Ihnen, dass Sie bislang gezwungen waren, mit Ihren Überweisungen an den örtlichen Monopolisten dessen Atomkraftwerke zu finanzieren? Dann sollten Sie sich ein Beispiel nehmen an Peter Mühlenbrock, dem 40-jährigen Elektro-Ingenieur aus Nürnberg.

„Ich wollte sauberen Strom haben“, begründet Mühlenbrock. Wind, Wasser, Sonne, Kuhmist – dieser Energiequellen aber bedient sich das Nürnberger Energieunternehmen Ewag kaum. So hielten Mühlenbrock und ein Kollege Ausschau nach einem anderen Stromlieferanten – und wurden zu Pionieren der lange erwarteten Liberalisierung des Strommarktes in Deutschland.

Seit mehr als einem Jahr können auch Haushalte ihren Stromlieferanten wechseln und einen neuen Versorger irgendwo in der Republik beauftragen – grundsätzlich. Dass der Wechsel zur Konkurrenz oft aber alles andere als einfach ist, mussten die beiden Nürnberger Energiedissidenten erfahren.

Nach einigen Monaten fruchtloser Verhandlungen schickten sie der Ewag einen Rechtsanwalt auf den Hals. Denn das Unternehmen wollte eine „Durchleitungsgebühr“ von 16 Pfennig pro Kilowattstunde (kWh) kassieren – nur dafür, dass die Energie eines anderen Anbieters durch die Ewag-Kabel zum Mühlenbrockschen Haus fließt. Die Intervention des Juristen half. Am Schluss kamen 11 Pfennig Aufschlag für die Durchleitung heraus.

Alles inklusive bezahlt der Ingenieur nun 39 Pfennig pro Kilowattstunde Strom – 6 Pfennig mehr als zuvor bei der Ewag. Mühlenbrock kann sich jetzt freilich sicher sein, dass er keinen Atomstrom der Ewag-Mutter Bayernwerk finanziert.

Beispiele wie diese machen inzwischen Schule. Nachdem jahrzehntelang die großen und kleinen Monopolisten den Energiemarkt unter sich aufteilten und kein Verbraucher vor seinem örtlichen Raubritter flüchten konnte, locken neuerdings kleine Versorgungsfirmen mit ökologisch hergestelltem Strom aus Sonne, Wind und Wasser oder eben diversen Billigangeboten.

So die Kawatt AG aus Köln: „Wir unterbieten jeden aktuell geltenden Preis um 15 Prozent“, sagt Sprecher Robert Kyrion. Verlangt der örtliche Monopolist 30 Pfennig pro Kilowattstunde, unterschreibt Kawatt seinen neuen Liefervertrag bei 25,5 Pfennig. 5.500 PrivatkundInnen nahmen das Angebot bislang an. Insgesamt machen den rund 900 Energieversorgern der Republik jetzt zwei Dutzend kleine Stromhändler das Leben schwer, schätzt Torsten Mache vom Internet-Infodienst Strommagazin“.

Um nicht zu viele KundInnen zu verlieren, steigen nun auch die großen Energieversorger in den neuen Wettbewerb ein. Den Anfang machte RWE-Energie (siehe Tabelle). Rund 120.000 InteressentInnen vornehmlich aus den Ballungsräumen mit hohen Preisen, unter anderem Berlin, hätten sich mittlerweile gemeldet, erklärt der Sprecher von RWE-Energie, Hermann Venghaus. Wie viele Lieferverträge in der ganzen Republik bisher tatsächlich abgeschlossen wurden? Darüber will das Unternehmen erst Ende des Monats berichten.

Nur kurze Zeit später wurden die Rheinisch-Westfälischen von Energie Baden-Württemberg (EnBW) überholt. Mit einer massiven Werbekampagne macht die EnBW-Tochter Yello Strom GmbH gegenwärtig auf ihr neues Angebot aufmerksam. Betrachtet man den bloßen Preis der Kilowattstunde, hält EnBW den Rekord – 19 Pfennig unterbietet noch niemand.

Doch der Abschluss eines Liefervertrages mit dem Stuttgarter Unternehmen kommt der Aufforderung gleich: „Bitte liefern Sie mir billigen Atomstrom.“ Während das Unternehmen die nukleare Energie aus eigenen AKWs im Südwesten bezieht, hat EnBW-Chef Gerhard Goll zusätzlich angekündigt, den Atomstromproduzenten Électricité de France (EdF) anzuzapfen. 50 bis 70 Prozent des EnBW-Saftes stammen aus den gefährlichen Kraftwerken. Viele von ihnen haben sich amortisiert, liefern billig wie kaum eine andere Anlage und machen weitere Dumping-Angebote erst möglich.

Fast täglich treten jetzt neue Anbieter in den Ring – oder alte mit neuen Tarifen. Am Wochenbeginn zog das Bayernwerk nach, einer der größten deutschen Energiekonzerne. Und die Offensive der PreussenElektra aus Hannover dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Nicht nur „Strommagazin-Redakteur Torsten Mache rät deshalb sparfreudigen StromkonsumentInnen, noch ein Weilchen zu warten, bis sie einen neuen Vertrag abschließen. „Der Preis pro Kilowattstunde fällt auf jeden Fall noch unter 19 Pfennig“, ist Mache überzeugt. Und diese noch kommenden Vorteile können sich die VerbraucherInnen nur sichern, wenn sie sich nicht vorzeitig an einen neuen Lieferanten binden. Denn manche Billigangebote – bei Energie Baden-Württemberg zum Beispiel – sind an lange Kündigungsfristen gebunden, die einen weiteren Wechsel dann vorerst unmöglich machen.