All das Geld den Professoren

Formell sind es die Hochschulen, die in Nordrhein-Westfalen mehr finanzielle Autonomie bekommen. Tatsächlich liegt die Geldverteilung nun allein in den Händen der Hochschullehrer    ■ Von Isabelle Siemes und Christian Füller

Berlin/Düsseldorf (taz) – Bisher hieß die Devise in den Hochschulen: Alle Macht den Professoren. Nordrhein-Westfalens (NRW) Bildungsministerin Gabriele Behler (SPD) geht noch einen Schritt weiter – sie gibt den Hochschullehrern auch das ganze Geld. Behler stellte gestern den Entwurf für ein neues Hochschulgesetz vor, das die Mittelverteilung in die alleinige Kompetenz der Professoren legt. Studenten und Assistenten, die bislang über die Hochschulbudgets mit entscheiden durften, können künftig nur noch unverbindliche Stellungnahmen abgeben. Der Landtag soll das Gesetz nach der Sommerpause beraten.

Die neuen Zuständigkeiten für Professoren ergänzen den kürzlich abgeschlossenen „Qualitätspakt“ zwischen Ministerin und Hochschulen. Der Pakt regelte die Finanzzuweisungen neu: Einerseits müssen die akademischen Ausbildungsstätten Kürzungen von 2.000 Stellen verkraften. Andererseits sollen sie eigenständig 100 Millionen Mark aus einem „Innovationsfonds“ bewirtschaften dürfen. Das neue Hochschulgesetz fixiert nun, wer den Zugewinn an finanzieller Unabhängigkeit erhält – die Professoren. Nur noch die Leitungen der Universität und die einzelnen Fachbereiche verteilen die Geldmittel, heißt es im Gesetz.

Studierende haben Behlers Gesetzentwurf erwartungsgemäß scharf kritisiert. „Der Normalstudent hat nun keinerlei Einflussmöglichkeiten mehr“, monierte Christian Laxander, hochschulpolitischer Referent an der Fachhochschule Köln. Die Konferenz der Studierendenvertretungen in NRW resümierte trocken: Anderen als professoralen Hochschulmitgliedern „wird zukünftig Mitbestimmung verwehrt“. Janne Klett-Drechsel vom Dachverband der Studierendenschaften (fzs) sagte: „Wir brauchen ein Mehr an demokratischen Strukturen in den Hochschulen – und nicht weniger.“

Die Ministerin wies gegenüber der taz alle Kritik zurück. Die Gesetzesnovelle begründe erst die Leitungskompetenz der Hochschulleitung (Rektorat). Es wäre im übrigen falsch, „das bisherige System Missverwaltung zu nennen“, sagte sie. Die Professoren verteilen traditionell die Hochschulgelder über die Köpfe der Studierenden und Assisstenten hinweg – ohne dass sich die Situation verändert hätte. In den Selbstverwaltungsorganen Fachbereichsrat und Senat ist die Mehrheit der Professoren garantiert.

In der Fraktion des bündnisgrünen Regierungspartners hat Ministerin Behlers Gesetzentwurf für einen Eklat gesorgt: Die Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses, Ingrid Fitzek, legte ihr Amt nieder. Sie stellt auch ihren Posten als bildungspolitische Sprecherin der Grünen zur Verfügung. Die Fraktion hatte beschlossen, den Entwurf trotz erheblicher Bedenken ins parlamentarische Beratungsverfahren zu nehmen.

Fitzek sagte zur taz, die Stärkung der Professoren im Gesetz „führt neue Hierarchien ein, und wir haben keine Chance, das im parlamentarischen Verfahren noch zu ändern“. Die 41-jährige bisherige Ausschussvorsitzende fragte ihre Fraktion: „Warum geben wir einem Gesetz, das wir vom Grundsatz her schlecht finden, den grünen Stempel?“ In den grünen Parteiprogrammen hat der Abbau der Machtstellung der Professoren – bislang – hohe Priorität.

Fraktionssprecher Roland Appel bedauerte den Schritt seiner Parteifreundin. Die Fraktion werde versuchen, die Mängel „im Gesetzgebungsverfahren nachzubessern“. Appel rief die Studierenden auf, gegen die deutlich gestärkte Position der Professoren zu protestieren – denn „Rot-Grün ist immer nur so gut, wie der Druck auf der Straße ausgeübt wird“.

Möglicherweise wird sogar der eine oder andere Professor Kritik an Behlers Gesetzentwurf üben. Professor Jens Peter Meincke von der Universität Köln sagte, „die Zusammenarbeit mit den Studierenden hat sich bewährt“. Es sei nicht gut, alle Kompetenzen beim Rektorat zu konzentrieren. Meincke weiß worüber er spricht: Er ist Rektor seiner Uni.