„Zinserhöhung ist nicht gefährlich“

■ Die Konjunktur leidet nicht, sagt Petra Köhler von der Dresdner Bank

taz: Halten Sie eine Zinserhöhung in den USA zum jetzigen Zeitpunkt für richtig?

Petra Köhler, Volkswirtin und Euro-Expertin: Die US-Notenbank (Federal Reserve Bank: Fed) hat ja die Zinsen im letzten Herbst wegen der Finanzkrise um 75 Basispunkte gesenkt und im Juni wieder um 25 Basispunkte erhöht. Eine weitere Erhöhung um 25 Basispunkte ist angemessen.

Wie wird das begründet?

Die Konjunktur ist nach wie vor kräftig, der Arbeitsmarkt relativ eng. Die mit unter fünf Prozent sehr niedrige Arbeitslosigkeit kann dazu führen, dass die Lohnerhöhungen größer ausfallen, was wiederum Inflationsgefahren beinhalten würde. Das spricht für die Notwendigkeit, die Leitzinsen anzuheben. Andererseits haben wir in den USA keine hohe Arbeitsplatzsicherheit – einen starken Wettbewerb –, das hält die Durchsetzbarkeit von höheren Löhnen auch wieder in engen Grenzen. Aber die Fed reagiert ja immer sehr vorbeugend.

Wie wirkt sich eine Zinserhöhung auf das Konsumverhalten der Bevölkerung aus?

Durch die höheren Zinsen würde sich die Nachfrage – z. B. beim Wohnungsbau – abschwächen. Viele amerikanische Konsumenten sind verschuldet. Die Kreditaufnahme würde durch eine Zinserhöhung teurer und den Konsum dämpfen.

Wenn die Zinsen steigen, steigt wohl auch der Kurs des Dollar wieder, die Exporte werden teurer. Hat das keine negativen Folgen für die konjunkturelle Lage?

Nicht unbedingt. Es ist häufig so, wenn die Zinsen angehoben werden, dass dann Inflationsbefürchtungen auftreten, die den Dollar schwächen.

Wird die Europäische Zentralbank (EZB) nachziehen, wenn die Fed die Leitzinsen erhöht?

Die Europäische Zentralbank wird sich nicht an der Fed, sondern an der binnenwirtschaftlichen Lage im Euro-Raum orientieren. Dort gibt es zwar klare Anzeichen für eine konjunkturelle Belebung im zweiten Halbjahr, aber das zweite Quartal war noch recht schwach. Wir rechnen jedenfalls damit, dass die EZB die Zinsen erst Anfang nächsten Jahres erhöhen wird, wenn die konjunkturelle Belebung anhält.

Hatte diese konjunkturelle Besserung nicht gerade mit der Zinssenkung der EZB im April zu tun?

Wir hatten auch vor der Zinssenkung schon eine expansive Geldpolitik, die kein Hindernis für einen wirtschaftlichen Aufschwung bedeutet hätte. Man hat die Zinsen ja wegen konjunktureller Risiken gesenkt, als die weltwirtschaftlichen Risiken – siehe Finanzkrise – noch größer waren. Das war möglich, weil keine Inflationsgefahr im Euro-Land bestand. Für die wirtschaftliche Belebung ist entscheidender, dass sich die Weltwirtschaft wieder stabilisiert, dass also die Nachfrage aus dem Ausland größer wird.

Aber eine Zinserhöhung wirkt da doch kontraproduktiv.

Eine Erhöhung um 25 oder 50 Basispunkte würde ja keine restriktive, sondern immer noch eine expansive Geldpolitik bedeuten. Im Moment liegt der kurzfristige reale, also inflationsbereinigte, Zins bei rund 2,5 Prozent. Da die Inflation im nächsten Jahr leicht ansteigen wird – wir rechnen mit 1,5 bis 2 Prozent –, wird sich eine geringe Nominalzinserhöhung kaum bemerkbar machen. Interview: Katharina Koufen