Maulen über Eichels Sparkurs. Schröder: „Ruhe an der Front!“

■  Sparpaket der Regierung im Kreuzfeuer. Ex-Staatssekretär Heiner Flassbeck wirft Finanzminister Eichel im taz-Interview „blinden Aktionismus“ vor. Heute Entscheidung über Münteferings Wechsel ins Parteimanagement erwartet

Berlin (taz) – Bundeskanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder hat schon wieder ein Machtwort gesprochen: „Ruhe an der Front!“. Er sei es „leid, auch aus meinem eigenen Laden immer Vorwürfe zu hören“. Zuvor hatte sich die Kritik am rigorosen Sparkurs seiner Regierung verschärft – bei der Opposition, den Bundesländern und einer beträchtlichen Minderheit innerhalb der SPD. Inzwischen haben bereits 34 SPD-Parlamentarier ein Protestpapier gegen Eichels Sparvorlage unterzeichnet. Finanzexperte Detlev von Larcher erläutert: „Wir wollen nur deutlich machen, dass wir nur zustimmen werden, wenn auch die mit den breiten Schultern zum Sparen herangezogen werden.“ Die Aufständischen fordern die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.

Auch Heiner Flassbeck, unter Oskar Lafontaine Staatssekretär im Finanzministerium, rechnet im Interview mit der taz mit dem Konzept von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) ab, dem er „blinden Aktionismus“ vorwirft. Die Logik seines „Sparens auf Teufel komm raus“ führe dazu, „dass man die wirtschaftliche Entwicklung destabilisiert“. In Eichels „Hauruckverfahren“ erkenne er eine „Radikalisierung, die mir als Ökonom und Mensch unbegreiflich ist“. Das liege unter anderem daran, dass es „bis zur Staatssekretärsebene in der Regierung keinen gesamtwirtschaftlich denkenden Ökonomen“ mehr gebe.

Insbesondere eine Konsequenz der neuen Regierungspolitik kritisiert der Ex-Staatssekretär: „Das Aufholen Ostdeutschlands wird fundamental in Frage gestellt.“ Wer die Steuern noch weiter senke, ändere „den Charakter dieser Gesellschaft fundamental“. Denn in der Folge werde die deutsche Einigung „zum größten Teil von den Schwächsten der Gesellschaft“ finanziert, über eine „gesamtgesellschaftliche Solidarität“ jedoch überhaupt nicht mehr geredet.

Unionspolitiker wie Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber wiederholten am Wochenende, dass sie das Gesetzesvorhaben nicht mittragen würden. Bislang ist unklar, mit wie vielen Stimmen die Bundesregierung im Bundesrat für das Sparpaket rechnen kann, die SPD-geführten Länder verfügen dort lediglich über 33 der insgesamt 69 Stimmen. Für eine Mehrheit benötigen sie 35 Stimmen, und in Mecklenburg-Vorpommern hat die mit der SPD regierende PDS bereits beschlossen, der Streichliste nicht zuzustimmen. Im Saarland, in Brandenburg, Thüringen, Sachsen und Berlin stehen zudem Landtagswahlen an. Saar-Ministerpräsident Klimmt bleibt bei seiner Ablehnung des Sparpakets, falls die Renten nur um die Inflationsrate stiegen.

Um seine Partei wieder auf Kurs zu bringen, will Schröder sich mit dem Führungswechsel in der SPD-Spitze beeilen. Heute schon könnte das Präsidium entscheiden, in welcher Funktion Bundesverkehrsminister Franz Müntefering ins Parteimanagement zurückkehrt. Zur Disposition stehen offenbar die Position eines Generalsekretärs oder die Bundesgeschäftsführung – Ottmar Schreiner soll Informationen aus Parteikreisen zufolge auf einen Staatssekretärsposten im Verkehrsministerium rotieren. Nachfolger Münteferings als Minister könnte Gerd Andres, bislang parlamentarischer Staatssekretär im Arbeitsministerium, werden. Beate Willms

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