Zwei Milliarden ins Salz gesetzt

■ „Jeden Tag ein guter Grund für den Atomausstieg“: Das Endlager Gorleben hält nicht, was es verspricht

Hannover (taz) – Wissenschaftler wie AKW-Gegner waren gleichermaßen überrascht, als vor 22 Jahren, im Februar 1977, die niedersächsische Landesregierung ausgerechnet den Salzstock Gorleben zum Standort des bundesdeutschen Endlagers für hochradioaktiven Müll erkor. Genau 2,1785 Milliarden Mark hat seither die Bundesrepublik für die Untersuchung eines Endlagerstandortes aufgebracht, der von Anfang an allenfalls dritte Wahl gewesen ist. Genauer gesagt, die Energieunternehmen und damit die Stromkunden haben die Kosten getragen.

Nicht die Geologie, sondern die Geografie des Landkreises Lüchow-Dannenberg war für den Endlagerstandort Gorleben ausschlaggebend. Rings um Gorleben war zumindest bis 1989 weit mehr DDR als Bundesrepublik. Auch die DDR hatte seinerzeit ihr geplantes Atommüllendlager Morsleben bei Helmstedt möglichst weit westlich plaziert.

Mit der Benennung von Gorleben setzte sich die Landesregierung über das Votum einer wissenschaftlichen Kommission hinweg, die drei andere niedersächsische Salzstöcke als Endlagerstandorte vorgeschlagen hatte. Drei Barrieren sollten in dem künftigen Endlager den hochradioaktiven Müll von der Biosphäre abschließen: Zunächst die Endlagerbehälter, darum große Partien von reinem, ungestörtem Steinsalz und schließlich über dem Salzstock ein wasserundurchlässiges Deckgebirge, das den Salzstock von den höheren Grundwasserschichten trennt.

Über dem Salzstock Gorleben, so weiß man schon seit 20 Jahren, gibt es die Barriere Deckgebirge praktisch nicht. Durch die eigentlich wasserundurchlässigen Tonschichten über dem Salzstock zieht sich von Nord nach Süd eine breite, in der Eiszeit entstandene Abflussrinne. Auch das Steinsalz selbst ist keineswegs kompakt und einheitlich.

An die Stelle des Mehrbarrierenkonzepts sind schon vor einem Jahrzehnt Modellrechnungen über die Ausbreitung der Radionuklide im Untergrund getreten. Mit diesen Modellrechnungen will man nachweisen, dass sich die aus dem Endlager freigesetzte Radioaktivität auf dem Weg zur Erdoberfläche so weit verdünnt, dass oben die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung noch eingehalten werden. Im Zweifelsfalle, sagten Wissenschaftler schon vor zehn Jahren voraus, werde man die Einhaltung der Grenzwerte an der Erdoberfläche durch zusätzliche technische Einbauten unter Tage, also durch viel Beton im Salz, sicherstellen.

Die rot-grüne Bundesregierung hat versprochen, diesem Spiel, das auf eine Art untertägigen Betonbunker hinauslaufen kann, ein Ende zu machen. Das zugesagte Moratorium für das Endlagerprojekt Gorleben ist allerdings seit Ostern überfällig.

Jürgen Voges